Mitten in der Region:Kahn ist von gestern

Wenn es um die wichtigste Nebensache der Welt geht, wissen Fremde manchmal besser Bescheid als Einheimische

Von Anselm Schindler

Wer derzeit mit der Bahn zwischen Rosenheim und München unterwegs ist, hat sich an den Anblick von jungen Männern und Familien aus den Krisenregionen dieser Welt gewöhnt. Zum direkten Kontakt zwischen den Geflüchteten und den anderen Fahrgästen kommt es aber selten, meistens werden nur unsichere Blicke ausgetauscht. Dabei würde es oft reichen, ein paar Worte zu wechseln um der Unsicherheit zu begegnen.

An einem späten Sonntag Abend sitzt wieder einmal eine Gruppe junger Männer, die meisten von ihnen kommen aus Somalia und Eritrea, in einem der Meridian-Züge Richtung München. Die Rosenheimer Bundespolizei hat sie in den Zug gesteckt, in ihren Händen halten sie Zettel mit der Anweisung der Polizei, zur Bayernkaserne in München zu fahren. In die Heidemannstraße 50, zum oft überfüllten Erstaufnahme-Lager. "Heddemannstraß?" murmelt einer der jungen Männer während er mit fragenden Augen auf das Formular blickt, das ihm die Beamten in Rosenheim in die Hand gedrückt haben. Dann blickt er auf, bemerkt, dass ihn einer der einheimischen Fahrgäste schon seit geraumer Zeit aus dem Augenwinkel heraus beobachtet. "Can you help me please?", fragt der junge Mann schüchtern und wedelt mit dem Zettel.

Nach einem Blick auf die App des Münchner Verkehrsverbundes und mit Unterstützung von Händen, Füßen und einem Kugelschreiber ist der Weg zur Bayernkaserne erklärt. "Thank you. My name is Dahir", sagt der junge Somalier. "You are German?" Unvermittelt fängt Dahir an, hastig Spieler des FC-Bayern aufzuzählen: "Robben, Müller, Neuer, Ribery" sagt er in kurzen Abständen. "Ääh Kahn?" fragt der wenig Fußball-affine Münchner. "No, no", sagt Dahir und lacht. "Are you really German?" Was die wichtigste Nebensache der Welt betrifft, ist der junge Somalier bereits gut in Bayern integriert.

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