Mitten in der Provinz:Lassen Sie uns neu anfangen!

Kommunikation ist bisweilen ein Problem. Vor allem, wenn am anderen Ende der Telefonleitung eine Maschine sitzt

Von CLAUDIA KOESTLER

Was kürzlich in einem kleinen Dorf nach Sonnenuntergang einen Höllenlärm verursachte und die Nachbarn erschreckte, war weder die Auferstehung von Louis de Funès noch eine unbekannte aggressive Bestie. Die zornigen Laute stammten stattdessen von: einer entnervten Bankkundin am Telefon. Weil diverse Familienmitglieder in recht verbreiteten Geldinstituten arbeiten und man sein Gehalt doch lieber nicht bei Omas Geburtstag diskutiert wissen will, hat sich die Kundin für ein anderes Kreditinstitut entschieden. Mittlerweile ist die einst nahe gelegene Filiale dieses Hauses geschlossen, die nächste unerreichbar. Bliebe: Onlinebanking. Das ginge, gäbe es schnelles Internet im ländlichen Bereich. Bis der Breitbandausbau stattfindet, sitzt die Kundin mit einem 56 Kilobyte-Modem, (Ja, jenem mit den schönen Einwählgeräuschen: brrr . . .däng, däng. . . tüüüüü) vor dem Bildschirm und harrt der Dinge, die sich da tun. Oder eben nicht tun. Bleibt eine andere Erfindung der nicht mehr ganz so modernen Moderne: das Telefon. Also die Nummer gewählt, um schnell eine Überweisung zu machen.

Eine sanfte Frauenstimme sagt: "Nennen Sie mir bitte Ihr Anliegen!" - "Ich möchte eine Überweisung ins Ausland machen." Pause. Dann folgt der fatale Satz: "Ich habe Sie nicht verstanden." Also noch mal: "Eine Überweisung! Ins Ausland" - "Sie wollen einen Freistellungsauftrag einrichten?" Eigentlich nicht. "Ich will eine Überweisung machen!!" Pause. Es folgt ein erstes, etwas genervtes "Lassen Sie uns bitte neu anfangen". Gute Idee. "Nennen Sie mir bitte Ihr Anliegen." - "Überweisung!! Ausland!! Auslandsüberweisung!!" - "Sie wollen Ihr TAN-Verfahren entsperren?" Wie bitte? "Nein, das will ich nicht." - "Entschuldigung, ich habe Sie wieder nicht verstanden." - "Das glaube ich auch." Dem Satz aber folgt so etwas wie Erleuchtung in den Platinen: "Sie wollen eine Überweisung tätigen?" Ja, ja, ja! Schon fordert die Sprachcomputerdame zur mündlichen Eingabe von Kontonummer und Geheimzahl auf: "Acht, Sechs, Zwo, Sieben. . . " - "Ich habe Sie leider wieder nicht verstanden." - "ACHT, SECHS, ZWO. . . !!" - "Ihre Kontonummer lautet Sechs, Zwei. . . " - "Nein!! ACHT!! SECHS!! ZWO!!!. . . " - "Ich habe Sie leider wieder nicht verstanden. Ein Mitarbeiter wird Ihr Anliegen nun bearbeiten." Hurra! "Der nächste Mitarbeiterplatz ist bereits für Sie reserviert."

Toll! Dann ist es ja bald geschafft. Es knackt, ein Herr ist dran. Der Betrag geht an Geoffrey Chaucer. "Ich kann leider kein Englisch, wie buchstabiert man das?", fragt er zurück. "Gustav, Emil, Otto. . . " "Sind das die Vornamen des Empfängers?" - "Nein, die Buchstaben!!" Das aber hat der Herr leider nicht verstanden. "Einen kurzen Moment!" Es plätschert im Hörer. Dann Schweigen. Was folgt, ist ein Rums und der Rauswurf aus der Leitung. Der aber weltgewandt mit "Please, call again later" endet. Das hat die Kundin leider nicht verstanden.

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