Markt Schwaben/Vaterstetten:Wenn Bungee den Bürstenbinder verdrängt

Markt Schwaben/Vaterstetten: Statt Bürsten und Geschirr gibt es auf den Markt Schwabener Märkten jetzt vor allem Kulinarisches zu kaufen - vielen Besuchern gefällt's.

Statt Bürsten und Geschirr gibt es auf den Markt Schwabener Märkten jetzt vor allem Kulinarisches zu kaufen - vielen Besuchern gefällt's.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

In Markt Schwaben und Vaterstetten herrschen Meinungsverschiedenheiten über Angebot, Termine und Öffnungszeiten von Sonntagsmärkten. Den einen geht es um Tradition, den anderen eher um Kommerz.

Von Korbinian Eisenberger und Wieland Bögel, Markt Schwaben/Vaterstetten

Die Tradition ist in Bayern noch heilig, gerade wenn es ums Geschäft geht. Wer an einem Sonntag öffnen will, muss mit Gegenwehr rechnen, etwa in Vaterstetten, wo die Sonntagsöffnungen in Parsdorf gerade zu einer Aufsichtsbeschwerde ans Landratsamt geführt haben.

Wer sonntägliche Gewohnheiten verändert, der muss sich auf Ärger gefasst machen, wie ein Beispiel in Markt Schwaben zeigt. Dort hat der Gemeinderat vor zwei Jahren beschlossen, die vier Sonntagsmärkte von ihren ursprünglichen Terminen so zu verlegen, dass es den Ausstellern besser ins Konzept passt: ein Affront für Freunde der Tradition.

In Markt Schwaben, der Marktgemeinde, gibt es seit 2014 keinen Fastenmarkt mehr, keinen Dreifaltigkeitsmarkt, Michaeli-Markt und Weihnachtsmarkt. Stattdessen heißt es dort jetzt Frühlings-, Sommer, Herbst- und Wintermarkt, so die Bezeichnung, seit der Gemeinderat einer Namensänderung und einer großzügigeren Auslegung des Datums zugestimmt hat. In Markt Schwaben ist diese Lösung umstritten, erst auf der jüngsten Gemeinderatssitzung kam es deswegen zu einem Meinungsaustausch.

Markt Schwaben bricht mit einer 550 Jahre alten Tradition

CSU-Gemeinderat Hermann Bogenrieder kritisierte die Änderungen, sein Fraktionskollege Heinrich Schmitt verteidigte sie. Der Gemeinderat stimmte schließlich dafür, die Praxis der vergangenen beiden Jahre auch für 2017 beizubehalten. Der Michaeli-Markt hat in Markt Schwaben ausgedient.

Die Gemeinde bricht damit mit einer uralten Tradition. Seit Herzog Albrecht der Gemeinde im Jahr 1457 das Marktrecht erteilte, fanden die Märkte immer zu festen Terminen an den hohen Feiertagen, etwa am Michaeli-Tag oder am Dreifaltigkeitstag, statt. Die Geschichte ist in "Markt Schwaben - Ortsgeschichte eingebunden in die bayerische Geschichte" dokumentiert, Bogenrieder zitiert gern aus diesem Buch und erinnert an Zeiten, als die Menschen aus den umliegenden Regionen zu den Märkten strömten. "Damals war der Marktsonntag ein gesellschaftliches Ereignis", sagt er.

Die Realität sieht in Markt Schwaben seit Jahren anders aus: Bürstenbinder, Schneider und Geschirrverkäufer sind dort kaum mehr zu finden, stattdessen sieht man Bungee-Anlagen und Dönerbuden. Die Marktsonntage im Ortszentrum haben sich zu einer Mischung aus Essens- und Kunstmarkt entwickelt, diese Beobachtung macht auch Bogenrieders Fraktionskollege Schmitt. "Ich finde diese Entwicklung nicht gut", sagt er. Bei den Terminen spricht er sich anders als Bogenrieder für Flexibilität aus, aus Rücksicht auf die Aussteller und Ferienzeiten. Bei den Begriffen sieht auch er Handlungsbedarf, derzeit seien die Namen "fantasielos", es wäre besser, "wenn wir die traditionellen Begriffe wieder verwenden".

Schmitt und Bogenrieder sind in ihrer Haltung im Prinzip gar nicht so weit voneinander entfernt. Anders ist das in Vaterstetten, hier stehen sich seit Jahren - genauer seit 2002 - zwei Positionen unversöhnlich gegenüber. Damals erlaubte der Gemeinderat der Firma Segmüller in Parsdorf an vier Sonntagen im Jahr ihre Möbel zu verkaufen.

Segmüller nutzt ein Schlupfloch

Dabei nutzt der Einrichter ein Schlupfloch im sonst sehr rigiden bayerischen Ladenschlussgesetz, wonach Geschäfte in einem Ort auch sonntags öffnen dürfen, wenn es dort einen traditionellen Markt gibt. Einen solchen hatte Segmüller selbst ins Leben gerufen, nach einigen Jahren Markt ohne Sonntagsöffnung, bekam dieser auch das Prädikat "traditionell", und der nebenliegende Möbelmarkt durfte mit aufsperren.

Was nicht allen gefiel: Die Grünen genau wie Teile der SPD wandten sich gegen die "Kommerzialisierung des Sonntags" und konnten sich dabei auch immer auf negative Stellungnahmen, etwa von Kirchen und Gewerkschaften, berufen. Streitbarster Gegner des sonntäglichen Möbelshoppings ist aber zweifellos Manfred Schmidt (FBU/AfD), der sich von der alle Jahre wieder getroffenen Mehrheitsentscheidung im Gemeinderat nicht abschrecken lässt. Bis zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof trug Schmidt seine Klage gegen die Parsdorfer Sonntagsöffnungen bereits, dieses entschied vor fünf Jahren allerdings im Sinne der Gemeinderatsmehrheit.

Was Schmidt indes nicht davon abhält, weiter gegen die Sonntagsöffnungen vorzugehen. Nachdem Vaterstettens Gemeinderat Anfang November erneut vier Termine genehmigte, hat Schmidt prompt Beschwerde beim Landratsamt eingelegt, darin wirft er der Gemeinde Formfehler vor. So fehlt laut Schmidt etwa eine Prognose, welche den Markt und nicht die geöffneten Geschäfte als Hauptziel der Besucher ausweise.

Diese sei laut eines Urteils des Verfassungsgerichtshofes unbedingt vorgeschrieben. Auch habe man sich nicht ausreichend mit der ablehnenden Stellungnahme des Pfarramtes Feldkirchen beschäftigt. Nicht zuletzt handele es sich bei dem Markt lediglich "um eine Alibiveranstaltung", um so "die Voraussetzungen für die Sonntagsöffnungen (...) zu schaffen".

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