Markt Schwabener Schloss:Symbol der Macht und des Untergangs

Sogar der österreichische Kaiser übernachtete hier: Das Schloss machte Markt Schwaben rund 150 Jahre lang zum einflussreichsten Ort im heutigen Landkreis - bis der bayerische König eine folgenschwere Entscheidung traf.

Von Isabel Meixner, Markt Schwaben

Es ist ein Hilferuf, mit dem sich Gabriel Widder, der Pflegebeamte des Schlosses Ebersberg, im September 1778 an den Kurfürsten von Bayern wendet: "Gnädiger Herr, mit schaudern und Bedauern sieht man die Verwüstung. Bald wird bloß noch ein Schutthaufen anzeigen, wo ehemals das schöne Schloss gestanden hat. Bitte um Resolution, wo wir bleiben und wie wir uns verhalten sollen wenn durch gegenwärtigen Einsturz der Dachung im Winter kein sicheres Unterkommen für mich Oberbeamten mehr sein sollte."

Markt Schwabener Schloss: Die Treppengiebel am Südflügel, dem einzigen noch erhaltenen Teil des Schlosses, entstanden erst nach dem Brand 1908

Die Treppengiebel am Südflügel, dem einzigen noch erhaltenen Teil des Schlosses, entstanden erst nach dem Brand 1908

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Das Bild, das Widder in seinem Brief zeichnet, ist düster: "An der Nord- und Ostseite wird in bälde am Dachgebälk nichts mehr zu machen sein. In den wenigen noch bewohnten Zimmern sind die Decken durchnäßt und fallen in Stücken herunter. Auf der Treppe die zur Amtswohnung führt ist bei jedem Regen ein Wasserfall. In Güssen fällt es auf den oberen Boden und von da auf die Treppe." Rund 120 Jahre nach seinem Bau war das Schwabener Schloss zur großen Dauerbaustelle geworden.

Dabei sollte in ihm eigentlich "etwas der Abglanz der Residenz von München sichtbar sein", wie Josef Blasi in seiner Ortsgeschichte schreibt. Dieser Abglanz bewog sogar den österreichischen Kaiser Leopold I., auf dem Weg nach München, hier eine Nacht zu logieren. 1658 war das Schloss nach achtjähriger Bauzeit auf den Grundmauern der im Dreißigjährigen Kriegs zerstörten Schwabener Burg fertiggestellt worden, zumindest mehr oder weniger. Der Ostflügel etwa, in dem das Fürstenzimmer untergebracht war, wurde erst 1718/19 mithilfe von Bürgern fertiggestellt, die für zwei Kreuzer pro Tag für den Kurfürsten schuften mussten.

Sogar Todesurteile wurden hier verkündet

Markt Schwabener Schloss: Die Bleiverglasung, die das Schwabener Schloss zeigt, stammt noch aus der Gründerzeit.

Die Bleiverglasung, die das Schwabener Schloss zeigt, stammt noch aus der Gründerzeit.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Das Schloss diente dem Kurfürsten als Ausgangspunkt für seine Jagdausflüge in den Ebersberger Forst. "Die Aufenthalte in Schwaben mit und ohne Familie und auch Gäste waren ausgefüllt mit Schwanenschießen, Fuchsjagd, Schweinshatz, Wildbretjagen und auch Fischen", heißt es in der Ortsgeschichte. Immer, wenn der Kurfürst mit seiner Entourage anreiste, musste der Pflegebeamte aus dem Schloss ausziehen. Er musste sich für die Dauer des Besuchs eine neue Bleibe suchen.

Das Schloss hatte allerdings auch für die Bevölkerung eine herausragende Position: Es war gleichzeitig der Sitz der Verwaltung und der höchsten Gerichtsbarkeit, war also Landgericht und Landratsamt in einem, wie man heute sagen würde. Der Richter, der häufig auch Pflegebeamter war, konnte kleinste Vergehen ahnden und auch in Fällen von Mord, Raub, Vergewaltigung, Meineid und Brandstiftung Recht sprechen - und Angeklagte zum Tod verurteilen. Diese wurden im Galgenhölzl westlich von Markt Schwaben nahe der Geltinger Straße von einem Scharfrichter aus München hingerichtet.

Wobei: Viele Todesurteile mussten gar nicht vollstreckt werden, sagt Bernd Romir, Vorsitzender des Vereins Heimatmuseum. Die Gefangenen waren in einem Verlies im Bergfried eingesperrt, das nur durch eine Strickleiter zugänglich war. Dort ging es kalt und feucht rein, einige Verurteilte starben vor Vollstreckung ihres Urteils an Krankheiten wie der Lungenentzündung.

Markt Schwabener Schloss: In einigen Räumen sind die alten Gewölbe noch zu sehen.

In einigen Räumen sind die alten Gewölbe noch zu sehen.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Benno Staffinger rettete den Südflügel vor dem Abriss

Das Areal hat sein Aussehen seit dieser Zeit stark verändert. Damals gelangte man noch über eine Brücke im südöstlichen Flügel ins Innere des Schlosses. Dort waren im Westteil die Stallungen untergebracht, im Südteil Wohn- und Verwaltungsgebäude. Im Nordosten, als Abschluss des kurfürstlichen Trakts im Osten, lag über dem Weiher die Magdalenenkapelle.

Heute ist nur noch ein Teil des Schlosses erhalten, und das ist auch nur dem beherzten Eingreifen des Markt Schwabener Bürgers Benno Staffinger zu verdanken: Als die Gemeinde das Schloss 1967 gekauft hatte, sollten West- und Südflügel abgerissen werden. Während das beim Westteil auch geschah, kämpfte Staffinger bei der Regierung von Oberbayern für den Erhalt des Südtrakts - mit Erfolg: An einem Montag hätte der Abriss beginnen sollen, am Freitag, also drei Tage vorher, kam das Verbot. "Wir verdanken ihm unser Schloss", sagt Josef Blasi.

Heute verleiht der Südflügel mit seinen Treppengiebeln dem Ortszentrum nach wie vor historisches Flair. Wenngleich der Schein trügt: Erst nach dem Dachstuhlbrand im Jahr 1908 wurden die Außenmauern mit neugotischen Elementen verziert - für die Treppengiebel liegt bis heute allerdings keine Genehmigung des Landratsamts vor.

Mit wenig Feingefühl der Nutzung angepasst

Auch im Inneren muss genauer hinschauen, wer ein Hauch des alten Schlosses entdecken will. Im Erdgeschoss sind noch vereinzelt die Gewölbe aus der Entstehungszeit zu sehen. In vielen Räumen sind sie allerdings verschwunden, so in den Zimmern der Musikschule, wo eine Decke eingezogen wurde - aus Lärmschutzgründen. Anderswo wurde das alte Gemäuer wenig sensibel an die neue Nutzung angepasst: Öffnet man etwa die Tür zur Tauschzentrale und blickt nach oben, fällt auf, dass "Schweinsöhrchen" in die Decke geschnitten wurde - damit die Türe ganz geöffnet werden kann. Im Nebenzimmer der Tauschzentrale sind die Bögen und die alte Säule von zwei Schuhregalen eingezwängt und in eine Wand integriert.

Als die Gemeindeverwaltung das Schloss - oder besser: das, was davon übrig geblieben war - im Jahr 1967 kaufte, waren in dem Teil zunächst Amts- und Fraktionszimmer untergebracht. Noch heute prangen die alten Lettern an den beige-grünen Türen, auch wenn mittlerweile die kommunale Verkehrsüberwachung, die Musikschule oder der Theaterverein hier untergebracht sind.

Markt Schwabener Schloss: In dieser Ansicht etwa aus dem Jahr 1952 sind noch der Burggraben und der Westflügel, der dem Rathaus später musste, gut zu sehen.

In dieser Ansicht etwa aus dem Jahr 1952 sind noch der Burggraben und der Westflügel, der dem Rathaus später musste, gut zu sehen.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Im ersten Stock hat die Gemeindebücherei die Räume bezogen, die in diesen Tagen ihr 40-jähriges Bestehen feiert. Hier findet der Besucher zwei Relikte aus der Gründungszeit des Schlosses: zwei fein ausgearbeitete Originalschränke aus dunkelbraunem Holz. Im selben Raum sind auch drei Fenster mit Bleiverglasungen zu finden: links das Wappen der Gemeinde Markt Schwaben mit dem Falken, rechts das bayerische Wappen, in der Mitte das imposante Schwabener Schloss mit Burgfried, umringt vom Wasser des Burggrabens. Ein Blick aus dem Fenster Richtung Süden zeigt heute: Der Graben ist immer noch zu erkennen. Wo früher Pferdekutschen über die Brücke ins Schlossinnere ratterten, fahren heute die Rathausmitarbeiter mit ihren Autos auf den Parkplatz.

Irgendwann verloren die Wittelsbacher das Interesse

Wie schwierig es im17. und 18. Jahrhundert gewesen sein muss, das Schloss instand zu halten, ist durch diverse Briefe der Pflegeverwalter überliefert. Sie waren nicht nur Richter, sondern mussten als Schlossherren gleichzeitig dafür Sorge tragen, den Sitz in Schuss zu halten: Es galt Löschwasser vom Weiher in den Speicherbehälter hochzuziehen, das Schloss zu säubern, Jagdwege für den Kurfürsten im Ebersberger Forst abzureiten und ausbessern, Kerzen für Kapelle kaufen, Fenster reparieren und und und.

1720 wurde das Schloss immer baufälliger. Die Wittelsbacher verloren zunehmend das Interesse an der Immobilie, es wurden nur noch die nötigsten Arbeiten getätigt - der Anfang vom Untergang. 1760 ging die Brücke kaputt, 1772 fiel ein Teil der Mauer vom Schlossgraben ein. 1784 wurden die unbewohnten Zimmer mit Brettern vernagelt, zehn Jahre später drohte der Einsturz des Dachstuhls. "Bald getrauen wir uns nicht mehr mit ekelhaften Wiederholungen an das äußert baufällige Schloß zu erinnern", schrieb der Pflegebeamte Widder 1778 nach München. Seine Hilfegesuche blieben jedoch ohne großen Erfolg.

"Für Markt Schwaben war der Wegzug eine Katastrophe"

So verwundert auch das Ende des ehemals so wichtigen Repräsentativschlosses zu Markt Schwaben nicht. Aus dem Kurfürstentum wird ein Königreich. 1811 beschließt die neue Regierung in München, die Verwaltung und das Landgericht nach Ebersberg in die Räume des ehemaligen Klosters zu verlegen. "Für Markt Schwaben war das eine Katastrophe", berichtet Josef Blasi. Landrichter Heinrich Ignaz Sartori, der wie seine Vorgänger Wohnrecht im Schwabener Schloss hatte, weigert sich wegzuziehen, bis er den Befehl erhält, innerhalb von drei Tagen seine Sachen zu packen. Ansonsten werde ein anderer seine Aufgaben übernehmen.

1812 wird das baufällige Schloss für 2050 Gulden versteigert. Das Interesse des neuen Besitzers fußt vor allem auf einem: den Ziegelsteinen. Nach dem Abriss von Nord-, Ost- und Teilen des Westflügels verkauft er sie und nimmt damit so viel Geld ein, wie er für das gesamte Schloss gezahlt hat. Für Markt Schwaben war das Schloss zum Symbol des eigenen Schicksals geworden: Erst hatte Schwaben in seiner Bedeutung über allen umliegenden Orten gethront, dann hat seine Macht angefangen zu bröckeln - bis es schließlich Gericht und Verwaltung und damit seine Position als einflussreichster Ort im heutigen Landkreis an Ebersberg verlor.

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