Markt Schwaben:Tanz der Chromosome

Weiherspiele 2016 - Planet XX

Gut haben es die Frauen im Stück "Planet XX". Ihre Männer haben sie zu verblödeten Computerzockern erzogen, die auch noch freiwillig putzen und aufräumen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei den Weiherspielen in Markt Schwaben siegt die Liebe über alles, manchmal sogar über den guten Geschmack

Von Annalena Ehrlicher, Markt Schwaben

"Hätte ich ihn doch nicht direkt ins All geschossen!" Das zumindest ist ein Satz, den in absehbarer Zeit keine vermeintlich betrogene Frau über den Ex-Geliebten sagen muss. Anders Königin Ea (Sandra Pfeffer) in Fritz Humplmayrs Komödie "Planet XX - und dennoch grüßt das Y", die bei den diesjährigen Weiherspielen in Markt Schwaben noch bis Freitag, 5. August, zu sehen ist. Cyberterroristen, unliebsame Rebellen und lügende Liebhaber per Rakete ins All zu befördern, ist nur eine der neuen Möglichkeiten innerhalb der Frauenrepublik, in der Männer nur erlaubt sind, wenn sie den Frauen aufgrund ihres Alters oder ihrer sexuellen Ausrichtung "nicht gefährlich werden können." "Planet XX" ist ein schrilles, buntes, technisch aufwendiges Stück, das in seiner Mischung aus heftigem Klamauk, Wortwitzen und tatsächlich originellen Ideen - ein Kran kommt zum Einsatz! - in der traumhaften Kulisse am Weiher durchaus unterhält.

In einer Art Vorspiel in der Kneipe beschreibt Silvia Wernberger als Wahrsagerin Madame Tarot die Ausgangslage der schönen neuen Welt, in der die Frauen das Sagen haben. Szenenapplaus aus dem Publikum gibt es, als sie in Trance ausruft, dass Männer "alles tun, was man ihnen sagt." Im Rebellen-Dorf wird hingegen in bester Asterix und Obelix-Manier dem Bier und der Geselligkeit gefrönt und der Glaube an die Liebe aufrechterhalten.

Die Chance für die Liebe indessen, kündigt sich bereits an: Simon (Matthias Könecke), ein besonders neugieriger Rebell, ist in die Welt der Frauen eingedrungen und verfällt vom Fleck weg den Reizen der schönen Königin. Diese wiederum ist ähnlich wie der vermeintlich homosexuelle Hofdiener Ferdinand (Fritz Humplmayr) von den männlichen Qualitäten des nach Bier riechenden Rebellen fasziniert. Dennoch wird Simon zunächst den Mechanikerinnen übergeben, um zu prüfen, was er im Sinn hat. Bei den Damen in der Mechanik-Abteilung werden "aus Brutalo-Zockern kompetente Putzmänner" und zwar durch die sogenannten "Verdummungshelme", die den Männern suggerieren, dass sie Videospiele "zocken", während sie tatsächlich für verschiedene Hausarbeiten eingespannt werden.

Beeindruckend ist das Bühnenbild mit dem Flachbildfernseher im Hintergrund, auf dem die Spiele laufen , die die Putzsklaven spielen, und mit der Chefprogrammiererin El Capitana kommuniziert werden kann. Siena (Lena Stolze) fragt mit Blick auf die frenetisch die Fenster schrubbenden Männer: "Und mit denen konnte man früher normal reden?" Herrlich unsubtil kommt von der krachledernen Rosi (Ingrid Seidl) die Antwort: "Freilich. Und noch ganz andere Sachen machen." Mit einem Griff an den Hintern eines der Zockerjungs wird dann auch jeder Zweifel ausgeräumt, was die "anderen Sachen" beinhalten könnten. Ingrid Seidel ist tatsächlich so komisch, dass egal ist, was sie sagt: Die Witze funktionieren.

In einer anderen Sequenz hingegen muss Humplmayr beim Schreiben des Stücks unendlich tief in der Mottenkiste gegraben haben: Am Hof der Königin tritt er als - homosexueller - Modemacher mit französischem Akzent auf und lässt die Damen "mit dem Popo wackeln". Das laute Schweigen aus dem Publikum lockert sich erst als Humplmayr selbst weitgehend die Hüllen fallen lässt. Doch nicht einmal sein - im wahrsten Sinne des Wortes - voller Körpereinsatz rettet die Szene, in der nicht auf lustige Weise mit bestehenden Klischees gearbeitet wird, sondern die Grenze des guten Geschmacks ähnlich wie sein falscher französischer Akzent schlichtweg verwaschen ist.

Dennoch entwickelt sich mit der einen oder anderen Songeinlage die Geschichte weiter: So singt beispielsweise die Schwester der Königin, Ambrella (Evelyn Hanner), die neue Hymne der Frauen. "Ihr Männer seid doch alle gleich, habt uns betrogen, belogen verarscht!" Letzteres ist Teil des Refrains und führt dazu, dass die ein oder andere Mutter der Tochter hin und wieder die Hand über die Ohren legt.

Trotz der rigorosen Einstellung, die auf XX Männern gegenüber gepflegt wird, kommen sich Simon und Ea, endlich allein, bei einer Bootstour näher - "Schnackseln? Ist das ein Spiel?" -, während Ambrella einen teuflischen Plan ausheckt. Dieser bedroht nicht nur Eas Posten, sondern die Freiheit der Rebellen. In letzter Sekunde können die Machenschaften jedoch vereitelt werden und die Liebenden finden vor dem leuchtenden Eiffelturm zueinander. Nach einem letzten großartigen Dialog - "Die Liebe ist so wunderschön." "Nicht so schön wie du." - ist endgültig klar: Die Liebe siegt über alles. Bei den Rebellen geht es etwas zünftiger zu: Während Erfinder Newton endlich seinen Commodore 64 - ein Raunen im Publikum bestätigt, dass der eine oder andere First-Generation-Zocker mit von der Partie ist - wiederbekommt, freut sich Sohn Eddie über "Bier, Sex und Rock'n Roll" und wird von den Damen von Planet XX ins Visier genommen. Ein Happy End auf vielen Ebenen also.

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