Markt Schwaben:Spielzeug mit Sammlerwert

Puppenstuben, Klassenfotos, Poesiealben: Die neue Jahresausstellung im Heimatmuseum befasst sich mit der Kindheit früher und heute

Von Max Nahrhaft, Markt Schwaben

Manchmal braucht es keine historischen Romane oder zeitgeschichtliche Überlieferungen, um etwas über die Vergangenheit zu lernen. Nein, auch persönliche Kindheitserinnerungen können Zeugen einer Epoche sein und haben viel Aussagekraft über die jeweiligen Lebensumstände. "Spielzeug ist ein Spiegel der Zeit", sagt Bernd Romir, Vorsitzender des Heimatmuseums in Markt Schwaben. Das Haus widmet seine neue Jahresausstellung dem Thema "Kindheit in Markt Schwaben" und will damit ein Stück heimatliche Zeitgeschichte öffentlich machen, die auf alten Klassenfotos, in Poesiealben oder eben Kinderzimmern festgehalten wurde.

Dabei sollen Besucher des Heimatmuseums nicht nur anderer Erinnerungen bestaunen können, sondern sich ihnen als Gemeindebürger in gewisser Weise verbunden fühlen. Eine Ausstellung von Markt Schwabenern für Markt Schwabener soll dies sein. Zwar stammen einige Exponate aus dem Fundus des Museums, doch ein Großteil der Ausstellungsstücke sind Leihgaben von Menschen, die im Ort leben und ihre Kindheitserinnerungen mit anderen teilen möchten. "Ungefähr 50 Leute haben für die Ausstellung ihre Beiträge zur Verfügung gestellt", so Romir. Dazu zählen neben schwarz-weiß Fotos auch Stoffpuppen, ein hölzerner Kinderwagen, detailgetreue Puppenstuben, Spielfiguren und viele weitere Artefakte, die damals Teil des kindlichen Alltags waren, heute aber Sammlerwert besitzen. Im Stüberl des Museums werden Zeitzeugen außerdem von ihren Erlebnissen berichten.

Kindheit in Markt Schwaben - Ausstellung

Eine alte Puppenküche (etwa 1910) kann man in der Ausstellung begutachten.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zusätzlich zu vielen Bildern aus dem Ort sind auf den Stellwänden der Ausstellung zwei Klassenfotos zu sehen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Das erste Bild stammt aus dem Jahr 1924: Knapp dreißig Schüler drängen sich auf die Treppe vor dem Schulgebäude. Vorne die Buben, die mit wenigen Ausnahmen alle kurz geschorene Haare und bis oben zugeknöpfte Jacken tragen - ein heute ungewohnter Hauch von Militarismus an der Schule. Hinten auf dem Bild stehen die Mädchen.

Was dem Betrachter außerdem ins Auge fällt, ist der Gesichtsausdruck der Kinder: Sie alle haben die Mundwinkel nach unten und die Augenbrauen grimmig zusammengezogen. Niemand lächelt oder freut sich über den Moment. Zwei Jungen in der ersten Reihe halten sich sogar an den Händen, um das Foto zu überstehen. "Schule war nicht lustig", sagte Romir, der später selbst Rektor an der Grundschule in Markt Schwaben war. Zucht und Ordnung seien damals im Vordergrund gestanden.

Kindheit in Markt Schwaben - Ausstellung

Einen Badetag im Waschzuber (1949) zeigt das Markt Schwabener Heimatmuseum.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nur 28 Jahre später, nach dem Zweiten Weltkrieg, machen die Schüler einen ganz anderen Eindruck. Jungen und Mädchen lächeln in die Kamera, die Geschlechtertrennung ist aufgehoben. Und auch die Kleidung lässt auf einen Wandel schließen. Die kleinen Buben präsentieren ihre Lederhosen oder stehen sogar mit kurzer Hose und ohne Schuhe auf dem Klassenfoto. Die Mädchen tragen knielange, bunte Kleider.

Eine Konstante im Laufe der Zeit sind die Poesiealben. Schwer liegt das Buch in der Hand, dessen vergilbte Seiten beim Blättern einen wohligen Duft verströmen. Darin zu lesen sind Gedichte von Freunden und Texte von Klassenkameraden. Einige der Beitrage sind auf das Jahr 1899 datiert. "Oft haben sogar die Eltern, Lehrer und auch der Pfarrer eine Widmung in die Bücher geschrieben", erklärt Birgitta Diekhoff vom Heimatmuseum. Auch er habe als Rektor "jedes Jahr sicherlich 20 solcher Alben gezeichnet", erzählt Romir.

Noch heute gibt es solche Freundschaftsbücher. Zwar sind deren Seiten meist schon vorgefertigt, so dass die Kinder nur noch Stichworte einfügen müssen, doch der Sinn dahinter ist bis heute der gleiche geblieben: Der Besitzer möchte persönliche Erinnerungen festhalten und sorgsam aufbewahren.

Echte Zeitzeugen sind auch die Puppenhäuser und kleinen Kramerläden, mit denen die Mädchen früher spielerisch auf den Alltag als Hausfrau vorbereitet werden sollten. Bis ins letzte Detail ist die Küche in der Puppenstube nachgebaut: Ein Geschirrschrank, die goldene Küchenwaage, ein großer Herd mit Metalltöpfen darauf, auf dem Küchentisch steht eine Porzellanschüssel mit Weißwürsten. "Man hatte damals eine andere Zielsetzung: Die kleinen Mädchen sollten gegenüber ihrer Puppen schon in die Mutterrolle schlüpfen, die sie später dann in der Familie einzunehmen hatten", so Diekhoff. Ähnliches lasse sich auch bei den Puppen selbst beobachten: Während die älteren Exemplare noch die Form eines Babys hatten, bedeutete die ersten Barbie eine Zäsur - weg vom Erziehungswerkzeug hin zum Unterhaltungsobjekt.

Kindheit in Markt Schwaben - Ausstellung

Bernhard Romir im gestrickten Strampler zeigt diese alte Fotografie.

(Foto: Peter Hinz-Rosin (Repro))

Übrigens: Alle Markt Schwabener sind aufgerufen, in ihren eigenen Fotoalben und Archiven zu blättern, denn das Museum freut sich stets über weitere historische Exponate.

"Kindheit in Markt Schwaben" - Jahresausstellung des Heimatmuseums, geöffnet am Samstag, 12. November, 14 bis 18 Uhr, Sonntag, 13., 14 bis 18 Uhr, Mittwoch, 16. November, 18 bis 20 Uhr und Sonntag, 20., 14 bis 17 Uhr.

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