Markt Schwaben:Schlupfloch in den Sitzungssaal

Markt Schwaben: Sascha Hertel ist Chef der "Zukunft Markt Schwaben", die kleinste Fraktion im Gemeinderat.

Sascha Hertel ist Chef der "Zukunft Markt Schwaben", die kleinste Fraktion im Gemeinderat.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Fraktion "Zukunft Markt Schwaben" will Bürger-Anträge künftig mit einem Trick schneller in den Gemeinderat schleusen. Die Kommunalaufsicht sieht das neue Angebot kritisch und will nun prüfen, ob es überhaupt zulässig ist

Von Korbinian Eisenberger, Markt Schwaben

Wer in der Kommunalpolitik mitreden möchte, tut gut daran, sich in den Gemeinderat wählen zu lassen. Als normaler Bürger tut man sich beim Mitreden schon deutlich schwerer. Man kann zwar Anträge stellen. Bis ein Gemeinderat sie behandelt, vergeht jedoch oft viel Zeit, so mancher Antrag versandet, so ist das in vielen Gremien. In Markt Schwaben gibt es nun zwei Männer, die dieses Phänomen als Problem ausgemacht haben. Sie sitzen beide im Gemeinderat und wollen es den Markt Schwabenern mit ihren Anträgen künftig leichter machen. Und zwar durch einen Trick.

Sascha Hertel und Hubert Bauer von der Wählergruppe "Zukunft Markt Schwaben" (ZMS) bieten seit einer Woche einen besonderen Service an: Sie nehmen per Online-Formular Bürgeranträge auf, die sie dann als Fraktion direkt in den Markt Schwabener Gemeinderat tragen. "Bisher waren Bürgeranträge meistens eine Hängepartie", erklärt Fraktionschef Hertel Anfang der Woche. Als Beispiel nennt er zwei Anträge, die im Mai 2015 auf der Bürgerversammlung gestellt und neun Monate später behandelt wurden, es ging um Parkautomaten und Behindertenparkplätze.

Fälle wie diese wollen Hertel und Bauer nun angehen: Anders als bei einem herkömmlichen Bürgerantrag muss der Gemeinderat einen Antrag aus einer Fraktion nämlich innerhalb der nächsten drei Sitzungen behandeln. "Wir geben Bürgern eine Plattform, damit sie sich schneller und effektiver beteiligen können", so Hertel. Was die ZMS hier anbietet, würde den Weg eines Bürgerantrags also beschleunigen - auf den ersten Blick eine gute Sache, eine Fraktion nimmt hier die Funktion eines Vermittlers ein. Man könnte aber auch von einem Schleuser sprechen, der vorsortiert.

Und so kommt man schnell zu der Frage, ob das so überhaupt erlaubt ist. Für die zuständige Kommunalaufsicht im Ebersberger Landratsamt ist die Idee neu, "so etwas ist uns im Landkreis bisher nicht bekannt", erklärt Hermann Ziegler, der stellvertretende Sachgebietsleiter. Aber: "Das Ganze ist wohl nicht zulässig", sagt er. Die Fraktion sei kein neutraler Filter, bedenklich sei, was mit Anträgen passiere, die den Zielen der ZMS widersprechen, so Ziegler. Für ihn ist die gängige Variante plausibel - sprich, dass ein Bürgerantrag in der Bürgerversammlung die Mehrheit findet oder von einem Prozent der Einwohner unterschrieben wird - ehe er in die Verwaltung kommt. "Die Anträge müssen dort vorbereitet werden, dafür reichen drei Monate oft nicht." Deshalb wolle man den Vorstoß der ZMS nun auf Zulässigkeit prüfen.

Bei der ZMS sehen sie es weniger problematisch. "Wir wollen den Bürgern ja genau dabei helfen, dass ihre Anträge entsprechend gut aufbereitet sind und schnell behandelt werden können", sagt Hertel. Wir, damit sind Bauer und er selbst gemeint, die ZMS ist mit zwei Mitgliedern die kleinste Fraktion im 24-köpfigen Markt Schwabener Gremium. Und das Problem mit der Schleuse? Was, wenn jemand einen Antrag für die Vergrößerung des Gewerbegebiets einreicht, wo die ZMS hier ganz andere Ansichten vertritt? "Wir würden keine inhaltliche Vorsortierung machen", sagt Hertel, man würde auch diesen Antrag einreichen, "solange er nicht gegen die demokratische Grundordnung verstößt".

Man kann dem vertrauen oder nicht. Klar ist, dass Hertels ZMS hier ein Thema aufgreift, das in Markt Schwaben zuletzt schwelte: das Bedürfnis nach Bürgerbeteiligung, nach mehr direkter Demokratie. In den vergangenen Monaten kamen in dem 12 000-Einwohner-Ort bekanntlich zwei Bürgerbegehren auf, 1300 unterschrieben für die Sicherung eines Schwimmbads in Markt Schwaben, gut 900 unterzeichneten zuletzt für den Erhalt des alten Sportplatzes. Beim Hallenbad reagierte der Gemeinderat auf den Druck der Bürger, beschloss im Eilverfahren eine Fläche für ein neues Schwimmbad, falls das alte abgerissen werden muss. Beim Sportplatz droht nach wie vor ein Bürgerentscheid, hier ist offen, ob die Initiatorin die nötigen Stimmen schon zusammen hat, und ob sie sie einreicht.

Es geht bei all dem auch immer um den Neubau des Schulzentrums, 45 Millionen Euro soll es kosten, das größte Bauprojekt, das es in Markt Schwaben je gab. Kommt es zum Bürgerentscheid für den Erhalt des Sportplatzes, ist der Baugrund für die Schulen blockiert, dann ist das Großprojekt in Gefahr. Hertel ist der Ansicht, dass die Begehren für sich sprechen, "sie zeigen, dass die Markt Schwabener beim Schulneubau zu wenig in die Pläne des Gemeinderats eingeweiht waren", glaubt er. Bürgermeister Georg Hohmann erklärt am Dienstag, dass ihn Vorwürfe wie diese wundern, "angesichts der wenigen Besucher bei Bürgerversammlungen und im Gemeinderat", wo dieses Thema besprochen wurde. Um den Informationsfluss zu stärken, hat Markt Schwaben eine Stelle für Öffentlichkeitsarbeit ausgeschrieben.

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