Markt Schwaben:Kathedrale aus Klängen

Unter Karl Maureens Händen zeigt die neue Orgel ihre Vielfalt

Von Ulrich Pfaffenberger, Markt Schwaben

Bach zu Beginn. Daran führt in diesem Kulturkreis bei einer Orgelpremiere kein Weg vorbei. Das Maß aller Dinge, ob Instrument und Organist etwas taugen. Die ersten Reize für den Hörsinn zudem, physisch wie emotional: Verstehen wir uns? Sehen kann das keiner am frühen Sonntagabend in der Markt Schwabener Kirche Sankt Margaret, denn wie im Gottesdienst sitzt das Publikum mit dem Gesicht zum Altar, das renovierte Instrument und den Solisten im Rücken. Aber zu spüren ist sie gleichwohl, die andachts- wie erwartungsvolle Stimmung im Kirchenraum, beim Wiederhören mit dem altvertrauten, nunmehr neu gestimmten und geweihten Instrument, für eine festliche Stunde befreit von jeder liturgischen Pflicht.

Auf Bachs Präludium, Fuge und Choral folgt Regers Toccata a-Moll - und damit ein Statement, wie es nur ein Kenner und Könner wie Karl Maureen abgeben kann, der höchst respektable Orgel-Professor aus München, zugleich Sachverständiger bei der Renovierung dieses Instruments. Denn Reger war es, der den ramponierten Ruf der Orgel wieder aufpolierte, der sie aus der Kulisse der orchestralen deutschen Romantik wieder ins Rampenlicht rückte und ihr den Glanz zurückgab, den sie verdient. So, wie es auch in Sankt Margaret nun nach langem Mühen geschehen ist. Die Orgel, geführt von Maureens souveräner Hand, holt sich bei diesem Stück ihren Raum zurück, baut eine Kathedrale aus Klängen, jedes Detail, jede Linie mit frischem Hauch erfüllend. Kraftvoll und vital zeigt sie sich, trennscharf die Register, hauchfein im Nachklang.

Wer sich in der Festschrift die Konzertprogramme früherer Orgelweihen in Sankt Margaret anschaut, dem wird die Vorliebe fürs Brillieren auffallen, fürs Ziehen der großen Register und fürs Donnern und Dröhnen der Pfeifen. Bei Maureen braucht man auf derlei nicht zu warten, stattdessen darf man sich freuen, welche Kostbarkeiten der Literatur er wieder entdeckt hat und welche klanglichen Schätze er heben wird. Dieser Organist aktiviert nicht Repertoire und Fundus für den festlichen Anlass, sondern kleidet das ihm anvertraute Instrument in ein Gewand, das die besten Seiten zum Klingen und ihre beachtliche Klangfülle zur Entfaltung bringt. Welche Komponisten und Stücke ihm dazu in den Sinn kommen, überrascht selbst Wegbegleiter immer wieder aufs Neue - und macht Besuche seiner Konzerte zu, wortwörtlich, einmaligen Erlebnissen.

Um die lyrisch-melodischen Seiten der neuen Orgel vorzustellen, hatte er sich für ein "Lied" von William Wolstenholme, für "Erfreue dich Himmel, erfreue dich Erde" von Liselotte Kunkel und ein Scherzo von Gordon B. Nevine mit allerliebstem Vogelgezwitscher der 1-Fuß-Flöten entschieden. Dazu das vertraute "Priére à Notre Dame" von Leon Boellmann in einer atmosphärisch dichten, liebevollen Interpretation: vier Mal große Orgelpoesie, vier Mal Leichtigkeit im Ausdruck und Tiefe der Gedanken, vier Mal filigrane Verwandlung von instrumentaler Technik in sinnliche Berührung: Oh ja, dieses Instrument wird den Menschen bei fröhlichen wie bei traurigen Anlässen eine gute Begleiterin sein.

Dass sie auch die Farben liebt, das Spielerische und die Verwandlung, zeigte Maureen mit einer Toccata von Pierre Bandini und einem Allegro brillante von Vincenzo Petrali. Ein bisschen Jahrmarkt, eine kräftige Dosis südländische Folklore und ein bunter Strauß tanzender Klänge - da entfaltet sich Volksmusik im besten Sinne und befreit die Orgel vom Korsett königinhaften Gepränges. Pointiert und heiter lässt der Organist die Melodien fließen, spielt souverän mit Rhythmen und Tempi, kitzelt mit den Triolen die Füße der Putten am Altar und die Ohren der Zuhörer. So äußern sich Momente größter Liebe zwischen Solist und Instrument.

Mit den Variationen über "Amazing Grace" von Denis Bédard zieht Maureen dann alle Register, lässt die Luft vibrieren, die Scheiben zittern und die Herzen der Markt Schwabener beben, die nach langem, frommem Schweigen schließlich in begeisterten Applaus ausbrechen. Auch das kann ihre neue Orgel also. Ein gutes, ein wahrhaftiges, ein seelenvolles Instrument, das es verdient hat, unter den Händen eines Meisters ins Leben entlassen zu werden.

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