Markt Schwaben:Heimat des klugen Nachdenkens

Seit 20 Jahren gibt es die Markt Schwabener Sonntagsbegegnungen - gefeiert wurde mit einem kreativen Dialog

Thorsten Rienth

Was macht den Geist dieser Begegnung aus? Bernhard Winter, Initiator der Schwabener Sonntagsbegegnungen, musste da nicht lange überlegen. "Hans-Jochen Vogel als Begleiter", schreibt er in seinem Grußwort, "ein guter Tag und eine gute Uhrzeit, der Verzicht auf unnötiges Brimborium, nicht mehr und nicht weniger als zwei Dialogpartner, beide mit Farbe und Konturen, der Blick über die Grenzen". Vor 20 Jahren haben die Schwabener Sonntagsbegegnungen nach diesem Konzept begonnen. Inzwischen ist daraus eine Veranstaltungsreihe geworden, die man im Landkreis kennt, in München, in Berlin, in Brüssel.

Auch deswegen ist das Heft der Grußworte zur Jubiläumsveranstaltung am Sonntag klein bedruckt zwölf Seiten lang. SZ-Innenpolitikchef Heribert Prantl nennt die Runden die "Heimat eines klugen, geselligen sonntäglichen Nachdenkens", die frühere Präsidentin des Deutschen Bundestags, Rita Süßmuth, schreibt von einem "kritischen, kreativen und kraftvollen Austausch". Wolfgang Ischinger, Leiter der Sicherheitskonferenz, bezeichnet die Veranstaltung als ein "besonders gut gelungenes Format moderner Bürgerbeteiligung bei aktuellen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragestellungen".

In dieser Reihe stehen die Worte, die der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel, Schirmherr der Begegnungen, per Grußwort übermittelt: "Die Begegnungen helfen, in unserer so unübersichtlich gewordenen Welt bei der Sinnfrage und bei der Frage des eigenen Handelns Orientierung zu geben". Als willkommene Alternative zu den quotenorientierten Talkshows.

Nach 64 Veranstaltungen, 121 Dialogpartnern und 14 000 Gästen sind zum Jubiläum die frühere bayerische SPD-Vorsitzende Renate Schmidt und Marion Glück-Levi von der Stiftung Zuhören des Bayerischen Rundfunks eingeladen. Ihr Thema: "Alt werden - Familie und Beruf".

Dabei geht es nicht darum, einen Königsweg aufzuzeigen, wie das berufliche und persönliche Leben im Alter am glücklichsten, zufriedensten, effektivsten gelebt werden könne. Sicher, so ein Dialog bietet stets Platz für persönliche Anekdoten oder Erlebnisse - doch am Sonntag wird es politisch.

Seien es die materiellen Verhältnisse oder die Bildungsvoraussetzungen", sagt Schmidt. "Ich bin mir sicher, dass unsere Generation privilegiert ist. Die meisten von uns haben sich nie Gedanken über Arbeitslosigkeit machen müssen, es gab kaum befristete Arbeitsverträge und auch kaum Leiharbeit." Sie fürchte, dass es jüngeren Menschen im Berufsleben nicht mehr gelänge, ein Polster aufzubauen, von dem sie im Alter zehren könnten. Das sah Marion Marion Glück-Levi ähnlich. "Ich frage mich immer, inwieweit das Alter eigentlich tatsächlich noch in der Eigenverantwortung der Menschen liegt?" Vorsorge sei für viele Menschen nicht mehr möglich.

Was aber ist die Folge der Entwicklung? Dass junge Menschen immer mehr damit beschäftigt seien, ihr Leben auf sichere Beine zu stellen. Das Kinderkriegen werde immer weiter zurückgestellt. Trifft diese Einschätzung zu, hat der Teufelskreis schon begonnen. "Vielleicht liegen die wenigen Kinder auch daran, dass man von den jungen Leuten immer erwartet, dass alles perfekt ist." Sie scheinen auf den perfekten Augenblick fürs Kind zu warten - bis er vorbei sei. "Bei uns ist sehr viel dem Leistungsgedanken untergeordnet", sagt Schmidt. Ist dem so, gäbe es zumindest die Möglichkeit, den Teufelskreis eines Tages doch zu durchbrechen.

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