Markt Schwaben:Freunde in der Fremde

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Die Markt Schwabener Initiative "Offenes Haus - Offenes Herz" feiert 15-jähriges Bestehen. Vertreter von Politik und Schulen loben den Wert der ehrenamtlichen Hilfe für die Integration von Migrantenfamilien

Von Alexandra Leuthner, Markt Schwaben

Auszeichnungen für das "Offene Haus" gehören in Markt Schwaben schon fast zum Jahresrhythmus. Anfang 2015 feierte man den an die Integrationsinitiative für ausländische Kinder und Familien und deren Gründerin Bettina Ismair verliehenen Deutschen Bürgerpreis. Ein Jahr zuvor hatte die Mutter von zwei Söhnen den Ellen-Amman-Preis des Katholischen Frauenbunds bekommen, 2012 war die Initiative "Offenes Haus-Offenes Herz" mit dem Oberbayerischen Integrationspreis ausgezeichnet worden. An diese Ehrungen - und es gab noch einige mehr - erinnerte Markt Schwabens Bürgermeister Georg Hohmann bei einer Feier zum 15-jährigen Bestehen.

2001 hatte alles mit Hausaufgabenhilfe für drei afghanische Grundschulkinder begonnen, und daraus ist ein Netzwerk geworden, das sich mittlerweile fest geknüpft durch Markt Schwaben zieht. "Die Arbeit begann in einem Wohnzimmer." Der SPD-Landkreisabgeordnete im Bundestag Ewald Schurer erinnerte an die ersten Anfänge - einer von Bettina Ismairs Söhnen, damals im Grundschulalter, hatte zu Hause von einem neuen Buben in seiner Klasse erzählt, der nicht deutsch sprach, aber sehr nett zu sein schien. Kurz darauf organisierte Ismair bereits eine Nachmittags- und Hausaufgabenbetreuung.

Endlich Pizza: Die Kinder der Integrationsklasse und ihre Paten konnten kaum erwarten, dass Bettina Ismair (Mitte) das Buffet eröffnete. (Foto: Christian Endt)

Seither sind es fast 150 Kinder aus 40 verschiedenen Ländern, die regelmäßig zu Gast bei Markt Schwabener Familien sind, viele von ihnen haben längst ihren Abschluss gemacht, der Schulkamerad von Ismairs Sohn Johannes, erzählte sie, studiert inzwischen Politologie an der LMU. Die Unterstützung von Flüchtlingen in der Asylbewerberunterkunft kam etwas später dazu, 2007 begann die Zusammenarbeit mit dem Franz-Marc-Gymnasium, wo ältere Schüler Fünft- und Sechsklässlern aus Migrationsfamilien halfen. Noch im selben Herbst wurde dort ein Wahlfach "Offenes Haus" eingerichtet. Im Moment sind es, wie Schuldirektor Gerhard Dittmann in seiner Ansprache an die Festgemeinde berichtete, 90 Gymnasiasten, die sich für das Offene Haus engagieren. Er sei stolz darauf, dass das Konzept mittlerweile zum Schulprofil des Gymnasiums gehöre - zumal man sich bewusst sein müsse, dass es für junge Leute durchaus auch andere Wege zu Erfolg und Freude gebe, die mit deutlich wenige Engagement und Herzblut verbunden seien. Aber "sie spüren, dass sie etwas zurück bekommen und dass es sie in ihrer eigenen Entwicklung weiter bringt."

Seit fünf Jahren ist in das Projekt der Schülerhilfe auch die Mittelschule integriert. Ulrike Endres-Hoppe, Lehrerin am Gymnasium, hatte die Zusammenarbeit mit damals acht Gymnasiasten ins Leben gerufen. Die Schüler, die inzwischen in der Übergangsklasse mithelfen, "ergänzen und ersetzen" zum Teil die Arbeit des Lehrers, berichtete die Konrektorin der Mittelschule Eva Guerin. Aus lockeren Lerngruppen seien Paten- und Freundschaften geworden. "An Weihnachten backen sie sich gegenseitig Plätzchen."

Dass durch das Engagement und die Kärrnerarbeit, die die vielen Ehrenamtlichen der Initiative leisten, viel mehr entstehe als reine Zweckbündnisse, betonte die ehemalige bayerische Sozialministerin Christa Stewens: Nicht nur die Kinder würden eingebunden, erhielten Hilfe beim Lernen, das Engagement strahle auf die gesamten Familien aus, den Müttern falle es leichter, an Sprachkursen teilzunehmen, und "es entstehen in jedem Ort Gemeinschaften", sagte sie.

Dass sich die Welt geändert hat, seit die Initiative 2001 ihren Anfang nahm, machten Landrat Robert Niedergesäß (CSU) und Bettina Ismair selbst deutlich. "Integration passiert immer dann, wenn Nationalität keine Rolle mehr spielt", sagte der Landrat - und wie wichtig dieser Ansatz sei, habe das vergangene Jahr mit seinen vielen Flüchtlingen gezeigt, "in der wir alle ganz andere Herausforderungen zu bewältigen hatten." Vor 15 Jahren, so Ismair, seien es vor allem Frauen und Kinder gewesen, die hier ankamen, "heute kommen die jungen Männer, die unseren Schutz einfordern." Aber nicht erst in jüngster Zeit habe sie sich oft rechtfertigen müssen für ihr Tun. Auch vor 15 Jahren hätten schon viele gehofft, die Flüchtlinge würden nicht allzu lange bleiben. "Sie sollten sich nicht allzu wohl fühlen bei uns." Heute aber erlebe sie bei allen politische Fortschritten wie Integrationsklassen und Sprachkursen "oft eine große Gleichgültigkeit gegenüber Migranten."

Dass das Offene Haus hier gegensteuere, betonte Bürgermeister Hohmann, der für jede der ehrenamtlichen Helferinnen eine Rose mitgebracht hatte und Ismair sowie ihrer Stellvertreterin Annemarie Löffl dankte. "Sie geben Kindern und Familien die Chance, Teil der Gesellschaft zu sein." Und was sagen die Kinder dazu? In einem Kurzfilm machten Schüler der Integrationsklasse und ihre deutschen Paten deutlich, wie gut sie sich verstehen. An einem Zungenbrechersatz brachen sich zuerst die Migrantenkinder auf deutsch und dann die deutschen Kinder in der jeweiligen Landessprache ihrer Patenkinder die Zunge - zum Vergnügen aller Beteiligten.

© SZ vom 07.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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