Markt Schwaben:Ein Berg von Arbeit und Schulden

Fehlende Einnahmen und unnötige Ausgaben haben den Ort in eine prekäre Finanzlage gebracht. Dabei stehen gerade jetzt millionenschwere Investitionen an

Von Isabel Meixner

Es war ein Hilferuf, der aufschrecken ließ. "Ich habe Angst, dass wir unseren Ort an die Wand fahren", sagte Monika Schützeichel, als Anfang des Jahres der Haushalt für 2015 verhandelt wurde. Sie befürchte, so die CSU-Gemeinderätin weiter, dass die Gemeinde in ein paar Jahren bei 30, 50 Millionen Euro Schulden angelangt ist - und es keine Einnahmen gibt, die diesen Berg abtragen können.

Tatsächlich ist Markt Schwaben an einem Punkt angekommen, an dem es gezwungen ist, zahlreiche millionenschwere Investitionen zu tätigen - Stichwort Mittelschule, Hochwasserschutz, Sanierung des Kanalnetzes -, für die sie aber eigentlich kein Geld hat. Allein in diesem Jahr nimmt die Gemeinde Kredite in Höhe von zehn Millionen Euro auf und verdoppelt damit ihre Schulden. Und sind in ein paar Jahren diese Aufgaben bewältigt, stehen etwa mit der Rathaus- und Sportplatzsanierung schon die nächsten an.

Kann die Gemeinde diesen Schuldenberg überhaupt zurückzahlen? Droht irgendwann die Zwangsverwaltung? Und wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass die finanzielle Lage in Markt Schwaben derart angespannt ist?

Wer der letzten Frage nachgeht, kommt zu dem Ergebnis: Ein unguter Mix aus nicht eingenommenem Geld und unnötigen Ausgaben hat die Gemeinde in ihre bedenkliche Situation hineinmanövriert. 23 Jahre lang wurden die Sätze für Gewerbesteuer und die Grundsteuer A und B nicht erhöht, zuletzt lagen sie deutlich unter Landkreisniveau. Seit die Gemeinde diese kommunalen Steuern 2013 deutlich angehoben hat, nimmt sie 700 000 Euro pro Jahr mehr ein - Geld, das man die Jahre zuvor offenbar verschenkt hat. Die Abwassergebühren, die eigentlich kostendeckend erhoben werden sollten, werden derzeit neu berechnet. Sie sind Thema in der nächsten Gemeinderatssitzung im Markt Schwabener Rathaus am Dienstag, 7. Juli.

Gleichzeitig ließ die Gemeinde einen Sportpark bauen, der sogar den Ansprüchen für Deutsche Jugendmeisterschaften genügte - bei einer Einwohnerzahl von 13 000. "Für Markt Schwaben ist das eigentlich eine Nummer zu groß", sagt Bürgermeister Georg Hohmann (SPD). Weiterer Kostenpunkt: Die Gemeinde kaufte zu völlig überteuerten Preisen die Grundstücke, auf denen das Gewerbegebiet am Burgerfeld entstand. 47 Millionen D-Mark gab die Gemeinde damals für die noch nicht entwickelten Ackerflächen aus und damit deutlich mehr als das Zehnfache des ortsüblichen Preises. Der spätere Verkauf brachte der Gemeinde nicht den erwünschten Gewinn, sie musste die Grundstückspreise senken. Auch dass Markt Schwaben sein Kanalnetz behielt und nicht vollwertiges Mitglied im Abwasserzweckverband wurde, rächt sich jetzt - denn nun muss die Gemeinde die Sanierungskosten komplett alleine stemmen, die sonst auf die Zweckverbandsmitglieder umgelegt worden wären.

Markt Schwaben: Das Geldbeutelwaschen zeigt in Markt Schwaben nicht nur symbolisch, dass kein Geld mehr da ist.

Das Geldbeutelwaschen zeigt in Markt Schwaben nicht nur symbolisch, dass kein Geld mehr da ist.

(Foto: Christian Endt)

Zu diesem Ungleichgewicht kommt, dass in Gebäude und Kanalisation jahrelang nichts investiert wurde. Immer wieder ist zu hören, dass es mal hier, mal da zu Rohrbrüchen kommt, zuletzt in der Poinger Straße. Ruckzuck musste die Gemeinde zwei Millionen Euro für etwas ausgeben, womit sie nicht gerechnet hatte. "Das holt uns jetzt ein", sagt dritter Bürgermeister Joachim Weikel (Grüne). Er saß bereits von 1996 bis 2004 im Gemeinderat, noch unter Hohmanns Vorgänger Bernhard Winter (SPD). Die Finanzlage war damals auf dem Papier gut, Markt Schwaben hatte eine niedrige Pro-Kopf-Verschuldung. Eine Sparkommission sorgte dafür, dass die Ausgaben niedrig gehalten wurde. Letztlich, sagt Weikel, sei sie eher eine Verschiebekommission gewesen: Projekte wurden auf die lange Bank geschoben, Stellen nicht nachbesetzt, Arbeit blieb liegen. Welcher Investitionsstau sich da auftürmte, sei ihm damals "so nicht klar gewesen": "Mit den Einblicken, die ich heute habe, hätte ich manches anders entschieden."

Die Sparsamkeit der Vergangenheit muss die Gemeinde heute und in den kommenden Jahren ausbaden. Nicht nur Schützeichel hat sich darüber besorgt geäußert. Hans-Ludwig Haushofer, Fraktionssprecher der Freien Wähler, fordert im Gemeinderat eine Grundsatzdebatte darüber, wo angesichts der angespannten Haushaltslage bei den Gemeindeausgaben eingespart werden kann. Auch wenn das zu unpopulären Entscheidungen führen kann, wie er betont. Beim Hallenbad zum Beispiel. "Wir können uns das bei unserer Haushaltslage nicht leisten, so gerne wir es wollen." 500 000 Euro muss die Gemeinde jährlich allein für den Erhalt der Einrichtung aufbringen, hinzu kommen Reparaturkosten, die allein 2014 bei 300 000 Euro lagen. Ihm falle das selber schwer, sagt Haushofer: Im Hallenbad hat er früher seinen drei Söhnen das Schwimmen beigebracht.

Haushofer ist nicht der einzige Gemeinderat, der einen Weiterbetrieb des Hallenbads in der jetzigen Form infrage stellt. Kindern das Schwimmen beizubringen sei nicht kommunale Aufgabe, findet Joachim Weikel, der selbst das Schwimmen von seinen Eltern erlernt hat. Auch Sascha Hertel (ZMS) nennt diese Position "nicht unverhandelbar". Das gilt auch für weitere Punkte: Hertel fordert, den Haushalt nach Einsparmöglichkeiten zu durchforsten: "Es gibt einige Dinge, die über die Jahre so gewachsen sind." Drei bis fünf Prozent könne man bei den Ausgaben sicher einsparen.

Markt Schwaben: Alt-Bürgermeister Bernhard Winter (links) mit Georg Hohmann.

Alt-Bürgermeister Bernhard Winter (links) mit Georg Hohmann.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mit seiner Forderung steht er nicht alleine da: Auch Hans-Ludwig Haushofer bereitet es Sorge, dass der Gemeinde in diesem Jahr nicht gelungen ist, die Finanzen im Verwaltungshaushalt so zu organisieren, dass Geld für die Tilgung der Kreditraten und die Zinsen da ist. Diese machen in diesem Jahr 1,27 Millionen Euro aus - die Gemeinde kann dem aber nur 226 000 Euro gegenüber stellen. Die fehlende Million wird indirekt über die Rücklagen und Kredite finanziert. "Da befinden wir uns in einer Spirale, die nur in die Zwangsverwaltung führen kann", sagt Haushofer. Als Beispiel nennt er die kommunale Verkehrsüberwachung: Einnahmen in Höhe von 316 000 Euro stehen veranschlagten Kosten von 491 000 Euro gegenüber. Das müsse nicht gleich bedeuten, dass ein Posten gestrichen wird, betont Haushofer, aber "es muss hinterfragt werden, wo das Geld hingeht und ob alle Ausgaben wirklich notwendig sind".

Monika Schützeichel hatte 2013 gegen die Anhebung der Grundsteuern und der Gewerbesteuer gestimmt. Steuererhöhungen sind für sie nur eine Option, "wenn man wirklich am Limit ist". In diesem Jahr hat sie dem Haushalt "schweren Herzens" zugestimmt. Auch sie sieht erhebliche Einsparpotenziale. Für die Sanierung der Duschen am Jahnsportplatz sind 25 000 Euro eingeplant, dabei könnte hier in ein, zwei Jahren die neue Mittelschule entstehen. Die Mitgliedschaft in der Flughafen-Interessensgemeinschaft zieht sie ebenso in Zweifel: "Auch Kleinvieh macht Mist."

Bürgermeister Hohmann sieht im Haushalt dagegen keinen Spielraum zum Sparen - sofern der Gemeinderat die "Heiligen Kühe" Hallenbad und Sportpark weiter heilig lässt. Die kleinen Beträge ändern seiner Ansicht nach an der Finanzsituation nichts grundlegend. "Wenn man an die großen Punkte nicht rangeht, kann man die Gemeindefinanzen nicht in Ordnung bringen." Hohmann dürfte sich wie ein Feuerwehrmann fühlen, seit er 2011 ins Amt des Bürgermeisters gewählt worden ist. "Ich will niemandem unterstellen, dass er falsch gehandelt hat", sagt er. Dennoch hat sich in den vergangenen Monaten gezeigt: Seit er im Rathaus ist, versucht er vieles anders zu machen als seine Vorgänger. Er hat die Strukturen verändert, die Zuständigkeiten geändert, Stellen neu- oder umbesetzt. Am Anfang habe er noch geglaubt, dass er den Berg an Aufgaben bis zu seiner Pensionierung abarbeiten kann. Und jetzt? "Da kann ich Ihnen keine richtige Antwort geben. Ich weiß nicht, was mir noch auf die Füße fällt." Schon am ersten Tag habe er fest gestellt, dass die Pro-Kopf-Verschuldung zwar niedrig, aber dafür nichts gemacht sei. In seiner Amtszeit hat sich der Schuldenstand der Gemeinde verdoppelt und die Rücklage halbiert. "Die Situation ist akut", gibt Hohmann zu. Allerdings seien ein Teil davon rentierliche Schulden, das heißt, dass Kosten zum Beispiel für das Kanalnetz eins zu eins auf die Verbraucher - sprich den Bürger - umgelegt werden.

Markt Schwaben: Das Hallenbad wird infrage gestellt.

Das Hallenbad wird infrage gestellt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Hohmann verweist auch auf die anderen Großgemeinden im Landkreis: All diese Kommunen müssten sich verschulden, um ihre Aufgaben zu bewältigen. Was die Sache in Markt Schwaben aber besonders heikel macht: Das Wohl der Gemeinde hängt zu einem Großteil von den Gewerbesteuereinnahmen ab. Und die sind alles andere als stabil. Je nach Konjunkturlage können sie stark schwanken - oder in dem ein oder anderen Fall von heute auf morgen ganz wegbrechen. Wenn ein Unternehmen aufgekauft wird und international tätig ist, zahlt es in Markt Schwaben keine Steuern mehr.

Der zweite seidene Faden, an dem die Gemeinde hängt, ist die Entwicklung der Zinsen. "Ich gebe Geld aus, um zu sparen", sagt Hohmann. Sascha Hertel, der den Bürgermeister im vorigen Jahr als Gegenkandidat herausgefordert hat, sieht darin eine gefährliche Logik. Es stimme zwar, dass das Geld derzeit günstig wie nie sei, "aber wir haben keinen Plan, wie wir das zurückzahlen", sagt Hertel. "Viele Kredite werden wir während der Zinsbindung nicht tilgen können, und dann kommt der Bumerang."

Wie kommt die Gemeinde heraus aus der Misere? "Wir haben keine Vision, wo wir mit Markt Schwaben hinwollen", findet Hertel. Georg Hohmann versucht das Problem mathematisch-analytisch anzugehen: Er lässt derzeit ein Kataster anlegen mit Dingen, die in der Gemeinde anstehen oder in den kommenden Jahren auflaufen. Diese Liste werde weit über seine Amtszeit hinausgehen, sagt der Bürgermeister, der 2019 in Rente geht. "Ich versuche alles, dass wir nicht in die Zwangsverwaltung reinkommen", verspricht er. Ob ihm das gelingt, liegt allerdings nicht mehr allein in seiner Hand.

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