Markt Schwaben:Der mit der Sprache spielt

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Die Liebe zur Sprache teilt Schriftsteller Paul Maar (rechts) mit Kulturredakteur Niels Beintker. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Woher kommen die Ideen? Was tun bei einer Schreibblockade? Und gibt es ein Schriftsteller-Gen? Der Kinder- und Jugendbuchautor Paul Maar gewährt bei den Sonntagsbegegnungen Einblicke in sein Handwerk

Von Carolin Fries, Markt Schwaben

Wenn Paul Maar schreibt, dann zieht er sich für ein paar Monate zurück aufs Land. Der Erfinder von Herrn Taschenbier und dem "Sams" arbeitet dann in seinem Ferienhaus "in einer tiefen Konzentration", wie er die Besucher der Schwabener Sonntagsbegegnungen wissen ließ. Telefone, Fernseher, viele Menschen würden ihn nur ablenken. Mit dem BR-Kulturredakteur Niels Beintker unterhielt er sich auf Einladung von Altbürgermeister Bernhard Winter über das Schreiben. Wie das Paul Maar, einem der berühmtesten Kinderbuchautoren auf diesem Planeten, gelingt? "Meine Ideen haben sich inzwischen daran gewöhnt, morgens um neun Uhr zu kommen, wenn ich mich an den Schreibtisch setze", sagte er. Stets nach einem ausgiebigen Frühstück, wie er ergänzte.

Der 78 Jahre alte Schriftsteller aus Bamberg gab in der Aula des Gymnasiums viele Einblicke in seine Kindheit, in der er keinen Zugriff auf Kinderliteratur hatte. Der arbeitsame Vater hielt Lesen für Zeitverschwendung, der junge Paul Maar lieh sich fortan Bücher in der Bibliothek des Amerikahauses in Schweinfurt aus und wuchs folglich mit Hemingway und Faulkner auf. Auch Niels Beintker lernte in seiner Kindheit keinen Erich Kästner kennen, er wuchs in Halle an der Saale auf, auch "das Sams war viel zu frech für den Sozialismus". Erst heute, als Vater eines acht Jahre alten Sohnes, hole er das nach. Paul Maars Freude, mit der Sprache zu spielen, bewundere er, sagte Beintker. In "Land auf dem Sonntag" etwa heißt es: "Im Scheinensonn taubt eine Gurr. Im Schattenhaus katzt eine Schnurr." "Das ist in mir angelegt", sagte Maar.

An ein Schriftstellergen indes glaube er nicht. Seine Großmutter habe ihm stets eine Geschichte erzählt, um den Jungen im Kindergartenalter ruhig zu halten, während sie ihm die Himmelfahrtsnase mit dem Finger von oben nach unten streichend "sehnte". So erfuhr Maar, was eine Geschichte ist. Dass auch zwei seiner drei Kinder das Schreiben zum Beruf gemacht haben, liege wohl daran, dass sie daheim als Handwerk kennengelernt hätten und von ihrem Vater früh in Arbeitsprozesse eingebunden wurden. So diskutierte man beim Frühstück schon mal, ob es besser wäre, eine Situation im Buch in der Ich-Perspektive zu erzählen oder als erzählerisches Moment in der dritten Person.

Gerhard Dittmann, Direktor des Franz-Marc-Gymnasiums, berichtete zu Beginn des Dialogs von Klagen der Lehrer, dass die Schreib- und Lesefähigkeit der Schüler stetig nachlasse. Der Pädagoge macht dafür die veränderte Kommunikation mitverantwortlich, die verstärkt über Displaygeräte laufe. "Um Schreiben zu können, brauche ich Bilder in der Fantasie", sagte Dittmann. Paul Maars fantastische Geschichten haben ihren Ursprung fast immer in der Realität - die Fantasie ändert sie lediglich ab. Für die Figur des Herrn Taschenbier etwa habe er den Buchhalter seines jähzornigen Vaters zum Vorbild genommen. Er hat dem Jungen damals zum Besuch der Kunstakademie geraten. Der junge Paul Maar hatte sich sehr gewünscht, ihn einmal von Herzen lachen zu sehen. Als erwachsener Autor habe er sich diesen Wunsch schließlich erfüllt. Auch für die strenge Frau Rotkohl gab es ein reales Vorbild, die Geschichte von Johanna in "Kartoffelkäferzeiten" sei seine eigene. Was außerdem kaum bekannt ist: Zu seinem eigenen Vergnügen - und für den literaturbeflissenen Vorleser - hat er in die Bücher über das Wesen mit den Wunschpunkten im Gesicht Anspielungen auf E.T.A. Hoffmann eingebaut, etwa auf die Erzählung "Das fremde Kind".

Paul Maar hat aber nicht nur lustige Kinderbücher geschrieben, sondern auch Romane, auch wenn "man den realistischen Autor Paul Maar nicht kennenlernen will", wie er bedauerte. Denn seine Jugendbücher etwa über die Freundschaft von Steffi zu einem libanesischen Flüchtlingsmädchen ("Neben mir ist noch Platz") oder über einen Jungen, der von den Großeltern auf dem Land zurück zu seinen Eltern in die Stadt zieht ("Auch andere Kinder wohnen bei ihren Eltern") seien ihm wichtige, persönliche Standpunkte.

Natürlich wurde auch die Schreibblockade thematisiert. Paul Maar kennt sie, er zeichne Aquarelle, wenn sie zu Besuch sei. "Ich wette dann mit ihr, dass ich gewinne." Offenbar erfolgreich: Im Herbst soll sein neuer Gedichtband "Schiefe Märchen, schräge Geschichten" erscheinen, zwei Gedichte trug er auswendig vor. Was das Schreiben für ihn bedeute, wollte Niels Beintker wissen. "Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen", antwortete Maar.

© SZ vom 04.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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