Landwirtschaft:Vorbild ohne Zeigefinger

Der Landkreis lobt sich selbst für seinen Verzicht auf Glyphosat. Andere auffordern, ebenfalls auf das umstrittene Unkrautvertilgungsmittel zu verzichten, möchte er aber nicht

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Welche Farbe hat das Gras in Nachbars Garten? Ist es grüner als im eigenen, befindet man sich in der Welt der Klischees - ist es dagegen bräunlich und verwelkt, in jener der modernen Unkrautvernichter. Das wohl bekannteste davon ist auch besonders umstritten: Glyphosat. Die organische Phosphorverbindung ist Bestandteil vieler Herbizide und steht im Verdacht, das Krebsrisiko zu erhöhen. Darum hatte die ÖDP im August einen Antrag in den Kreistag eingebracht, den Landkreis zur glyphosatfreien Zone zu erklären. Erreicht werden sollte dies unter anderem durch Appelle an Gemeinden, Landwirte und Privatleute, das Mittel nicht mehr zu verwenden. Doch einen solchen Aufruf wird es nun nicht geben, der Umweltausschuss des Kreistages sprach sich mit großer Mehrheit dagegen aus.

Der ursprüngliche ÖDP-Antrag besteht aus vier Forderungen. So soll der Landkreis auf seinen eigenen Flächen kein Glyphosat einsetzen. Außerdem soll auf die Gemeinden eingewirkt werden, diesem Beispiel zu folgen. Drittens wünscht sich die ÖDP, dass der Landkreis auch Privatleute, Kirchen, Vereine und die Bahn auffordert, kein Glyphosat zu nutzen, also weder entlang der Schienen noch auf Friedhöfen oder Sportplätzen. Und auch auf landwirtschaftlich genutzten Flächen soll das Herbizid zurückgedrängt werden, dazu, so die ÖDP, soll es spezielle Beratungen durch das Landwirtschaftsamt geben, wie man auch ohne Glyphosat Flächen bewirtschaften kann.

In der nun zunächst im Umweltausschuss vorgelegten Variante war der Antrag schon etwas entschärft. Zwar wird ausführlich festgestellt, dass der Landkreis erstens schon seit Jahren kein Glyphosat mehr auf seinen Flächen ausbringt und zweitens auch nicht vorhat, damit wieder anzufangen: "Der Verzicht gilt uneingeschränkt und unbefristet". Von einer Beratung durch das Landwirtschaftsamt zum Thema Glyphosatverzicht auf privaten Anbauflächen ist allerdings keine Rede mehr. Stattdessen sollte es einen allgemeinen Appell "an alle öffentlichen und privaten Grundeigentümer, insbesondere an die Gemeinden und die Landwirte" geben, "künftig auf den Einsatz von glyphosathaltigen Produkten zu verzichten beziehungsweise ihn so weit wie möglich zu reduzieren".

Doch sogar das war einigen zu viel, etwa Landrat Robert Niedergesäß (CSU): "Wir können es auf unseren eigenen Flächen bleiben lassen - aber dass wir als Landkreis an die Landwirte appellieren, das geht mir zu weit". Darum solle man den Punkt aus der Beschlussvorlage streichen und lediglich darüber abstimmen, dass der Landkreis selbst weiterhin kein Glyphosat verwenden wolle. Unterstützung kam sowohl aus der CSU-Fraktion, Martin Lechner begrüßte den Verzicht auf den Appell an die Landwirte. Aus der Ausschussgemeinschaft, in der die ÖDP vertreten ist, gab es sogar ganz grundsätzliche Kritik am ursprünglichen Antrag. "Ich halte den Kreistag nicht für den Ort, um eine Kampagne oder eine Anti-Kampagne für ein Pflanzenschutzmittel zu machen", fand Hagen Theurich (parteilos).

Die Gegenposition vertrat Ilke Ackstaller (Grüne). Schließlich sei man sich ja einig, "dass es für uns nicht in Frage kommt", Glyphosat auf den kreiseigenen Flächen zu verwenden. Damit "stehen wir schon in der Pflicht, auch an andere zu appellieren", diesem Beispiel zu folgen. Ackstaller verwies auf die möglichen Gesundheitsgefahren und auf eine kürzlich vom Bund Naturschutz vorgenommene Untersuchung. Bei dieser habe sich Glyphosat auch im Körper von Menschen nachweisen lassen, die gar nicht in der Landwirtschaft arbeiteten. "Selbst wenn es nicht krebserregend sein sollte, im menschlichen Körper hat es trotzdem nichts zu suchen", so Ackstaller. Deshalb solle man alles tun, um den Einsatz des Mittels zu verringern - eben auch durch den Appell an Privatleute.

Von denen die meisten das Herbizid gar nicht zu kaufen bekämen, entgegnete Lechner. Nur an Leute mit Sachkundenachweis dürfe das Mittel noch verkauft werden, diese Regelung sei ausdrücklich wegen der Bedenken gegen Glyphosat eingeführt worden. Außerdem seien "die Bauern doch nicht so blöd und vergiften ihre eigenen Böden", wenn auf den Äckern überhaupt Glyphosat zum Einsatz komme, dann, weil es nicht anders gehe.

Was offenbar oft der Fall sei, wie Uwe Peters (Grüne) anmerkte: "Als neutraler Beobachter muss man schon staunen, was die Bauern so alles treiben und was die Natur zerstört", meinte er. "Wir sind keine Umweltvergifter", machte Lechners Fraktionskollege Manfred Vodermair seinem Ärger Luft. Erstens gebe es Zulassungsregeln für Pflanzenschutzmittel und zweitens müsse jeder Landwirt, der diese Substanzen anwenden wolle, eine Fortbildung machen.

Renate Glaser (SPD) schlug einen Kompromiss vor: Statt andere zum Verzicht aufzufordern, könne der Landkreis seine eigene Herbizid-Abstinenz doch einfach als Vorbild darstellen. Niedergesäß regte an, diese Vorbildfunktion etwa ins Regionalmanagement einfließen zu lassen, wo bestimmte Ziele und Aufgaben des Kreises definiert werden. Damit könnte er gut leben, meinte Peters, vorschreiben könne man den Verzicht auf Glyphosat ohnehin niemandem, aber eben auf die eigene Vorbildfunktion verweisen. Vielleicht passe dies gut zum Thema Biomasse, schlug Bianka Poschenrieder (SPD) vor, oder zum Jahr der Biene, meinte Ackstaller.

Diese Anregungen werde man gerne mitnehmen, sagte der Landrat. Als Ersatz für den Appell schlug er die Formulierung vor, dass der Ausschuss "die Verwaltung beauftragt, die Vorbildfunktion des Landkreises bei der Nichtanwendung von Glyphosat herauszustellen". Dies wurde mit einer Gegenstimme, jener Vodermairs, beschlossen.

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