Landwirtschaft:Die Kuh in der Krise

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56 aktive Milchkühe stehen derzeit im Stall der Unkelbachs. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Milchbauer Walter Unkelbach zeigt Besuchern seinen Betrieb und erklärt, wie sich sein Hof trotz schwieriger Bedingungen behaupten kann. Sein Motto: "Nicht jammern, sondern machen"

Von Franca Wittenbrink, Vaterstetten

Auf einer saftig grünen Wiese ragt eine Pyramide aus 36 Maßkrügen voll Milch in die Höhe, daneben stehen zwei große Säcke, gefüllt mit 100 Kilogramm Weizen. Demgegenüber: Eine Maß Bier und ein halbes Hendl. Landwirt Walter Unkelbach schüttelt den Kopf, während er das Poster mit dem demonstrativen Foto entrollt, das vor acht Jahren bei ihm auf dem Hof entstanden ist. Gerade mal eine Wiesn-Mahlzeit, so viel waren im Jahr 2009 ganze 36 Liter Milch und 100 Kilogramm Weizen wert. "Für dieses Jahr müsste man die Zahlen natürlich neu ausrechnen", sagt er und zuckt mit den Schultern, "aber viel verändert hat sich da nicht."

Es ist Samstagnachmittag in Hergolding, etwa 20 Mitglieder und Freunde der Senioren-Union Vaterstetten-Parsdorf haben sich auf dem Bauernhof der Familie Unkelbach eingefunden, um über Verbraucherthemen, Landwirtschaftsprodukte und den hart umkämpften Milchmarkt zu diskutieren. Vor dem großen Kuhstall, in Gummistiefeln und Arbeitshose, steht Walter Unkelbach und begrüßt seine Gäste. Er freue sich sehr über das Interesse an der Landwirtschaft, bekräftigt er, das sei heute ja längst nicht mehr selbstverständlich. Seine Schwiegertochter zum Beispiel führe hin und wieder Kindergruppen über den Hof, die im Stall nach den lila Kühen suchten: "Die wissen ja gar nicht mehr, wie so ein Tier aussieht."

Und die Kuh schaut zu als Walter Unkelbach die Besucher durch den Milchviehstall führt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

1937 wurde der Hof der Unkelbachs durch Adolf Geiger gekauft, seinen Namen "Geiger-Hof" hat er seitdem behalten. 1992 wurde der Milchviehlaufstall neu gebaut und die Anzahl der Milchkühe und des Jungviehs erhöht, 2009 erweiterten die Unkelbachs den Hof um einen Stall für die Tiere in der Trockenstehphase. 56 Kühe werden derzeit gemolken, neun weitere befinden sich in der Ruhepause. Hinzu kommen zahlreiche Kälber. "Auf der linken Seite stehen die ganz Jungen", erklärt Unkelbach, "dann geht es dem Alter nach bis nach hinten durch. Und auf der anderen Seite sind die Tiere, die Milch geben."

Es geht hinein in den Stall, von beiden Seiten werden die Besucher von großen, runden Kuhaugen beäugt, dann schmatzen die Tiere sich gemächlich weiter durch die Heuhaufen am Boden. Im Hintergrund ist ein leises Poltern zu hören, eine große Maschine zischt und summt vor sich hin. "Der Melkroboter", erklärt Unkelbach den fragenden Gesichtern - ein automatisches Melksystem, das in der landwirtschaftlichen Praxis zunehmend stärkere Verbreitung findet.

Mit der richtigen Belohnung lässt sich jede Kuh vom Roboter melken

Ohne manuelle Hilfe wird das Melkgeschirr dabei mithilfe von Erkennungssystemen auf Basis von Ultraschall, Laser und optischen Sensoren an das Euter der Kuh angeschlossen. "Als wir uns vor ein paar Jahren für die neue Technik entschieden haben, mussten sich die Tiere natürlich erst mal daran gewöhnen, die Maschine freiwillig zu betreten", erzählt Unkelbach, "aber mittlerweile funktioniert's super!" Der Trick sei wie immer das Futter: "Mit Speck fängt man Mäuse, mit Getreideschrot Kühe." Eines seiner Tiere lasse sich sogar bis zu fünf mal am Tag melken, sagt der Landwirt, das entspreche etwa 45 Litern Milch. Die neue Technik diene außerdem der besseren Kontrolle der Tiergesundheit und des Tierwohls.

Dabei begegnen sie auch dem neuesten Mitarbeiter, dem Melkroboter, den die Kühe selber aufsuchen, wenn sie gemolken werden wollen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Melkroboter gehört zu den positiven Entwicklungen im Bereich der Landwirtschaft - auf anderen Gebieten kann man davon nur träumen. Seit Jahren stürzt der niedrige Milchpreis viele Bauern in die Existenzkrise, immer mehr Höfe machen dicht. Vom Jahr 2000 bis 2015 halbierte sich die Zahl der Bayerischen Milchkuhhalter auf rund 33 000, die Anzahl der Milchkühe sank im selben Zeitraum um 17 Prozent. "Der Milchgipfel im vergangenen Jahr?" Unkelbach winkt ab: "Davon merken wir hier nichts."

Aufgeben kommt für den Landwirt trotz der schwierigen Umstände nicht in Frage. "Nicht jammern, sondern machen!" ist seine Devise. Seit 2010 produziert Unkelbach mit seinen Kühen Milch für "sternenfair", eine Marke, die traditionelle und regionale Fütterung vorsieht, den Einsatz von Gentechnik verbietet und eine bienenfreundliche Landwirtschaft voraussetzt. Zu den Zielen gehört neben der nachhaltigen und tiergerechten Erzeugung aber vor allem die gerechte Entlohnung der Milchbauern.

Mit den erzielten Preisen ist Bauer Unkelbach zufrieden

"Momentan liegt der Milchgrundpreis bei 37 Cent - wir bekommen 42. Und egal, wie die Schwankungen aussehen: 40 Cent sind uns in jedem Fall sicher", erklärt Unkelbach. Mit diesen Zahlen könne man zufrieden sein, findet er, und mit der Erfolgsgeschichte von "sternenfair" ohnehin: Erst kürzlich habe er eine Anfrage der Firma Danone bekommen, die sich an seiner Milch interessiert zeigte. Unkelbach verhandelte erfolgreich, die Telefonate gingen von Hamburg über Moskau bis nach Paris. "Wenn uns das einer erzählt hätte, als wir hier vor sieben Jahren mit unserer H-Milch begonnen haben!" Der Bauer beginnt zu strahlen: "Das hätte uns keiner geglaubt." Sie hätten viel erreicht, sagt Unkelbach zum Abschluss, darauf sei er stolz. Und trotzdem: "Um nicht aufzugeben, muss man schon Landwirt mit Leib und Seele sein."

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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