Landshut:Mutter soll Siebenjährige für Missbrauch zur Verfügung gestellt haben

  • Die Mutter soll ihre kleine Tochter betäubt haben, damit sich ihr Internet-Bekannter in Ruhe an dem Kind vergehen konnte.
  • Die beiden präsentieren vor Gericht eine andere Version: Es habe keine echten Missbrauchsfälle gegeben, sondern nur Internet-Chats, in denen sie Fantasien über Kindesmissbrauch ausgelebt hätten.

Von Florian Tempel

Die Anklage ist erschütternd: Laut den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Landshut soll eine Frau aus dem Landkreis Ebersberg in den Jahren 2006 und 2007 ihre damals sechs- und siebenjährige Tochter einem Bekannten aus dem Landkreis Erding mindestens sieben Mal für schweren sexuellen Missbrauch zur Verfügung gestellt haben. Die heute 43 Jahre alte Frau soll ihr Kind mit Medikamenten betäubt haben, damit ihr drei Jahre älterer Bekannter sich in Ruhe an dem Mädchen vergehen konnte.

Am ersten Verhandlungstag am Landgericht Landshut wurde kaum mehr als die Anklage verlesen, bevor die Verhandlung bis Anfang September vertagt wurde. Der Vorsitzende Richter der Jugendschutzkammer, Oliver Dopheide, deutete jedoch schon einmal an, in welcher Weise sich die Angeklagten offenbar verteidigen werden: Es habe keine echten Missbrauchsfälle gegeben, sondern nur Internet-Chats, in denen sie Fantasien über Kindesmissbrauch ausgelebt hätten.

Die Anklage basiert, wie Klaus Ruhland, Sprecher der Staatsanwaltschaft Landshut bestätigte, zu einem großen Teil auf der Auswertung von gespeicherten Internet-Chats zwischen den beiden Angeklagten. Der 46-Jährige aus dem Landkreis Erding, ein verheirateter Familienvater mit drei Kindern, ist vor zwei Jahren wegen sexuellen Missbrauchs einer 13-jährigen Schülerin aus Landshut zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Wie die Ermittler auf den Fall kamen

Derzeit sitzt er die Strafe in der Justizvollzugsanstalt Landshut ab. In jenem Prozess war er auch des sexuellen Missbrauchs einer sieben bis acht Jahre alten Nichte in den Jahren 2012 und 2013 angeklagt. Diese Fälle wurden damals vom Gericht abgetrennt und Nachermittlungen angeordnet. Nun ist auch dieser Komplex wieder mit angeklagt.

Bei den Nachermittlungen ging es unter anderem darum, Bilddateien vom Missbrauch an der Nichte zu suchen. Laut einer Zeugenaussage hatte es dazu Fotos gegeben. Bei der neuerlichen Auswertung des Computers des Angeklagten stießen die Ermittler dann gewissermaßen nebenbei auf umfangreiche Chat-Unterhaltungen mit der nun angeklagten Frau aus dem Landkreis Ebersberg. Daraufhin wurde auch deren Haus durchsucht, ihr Computer sichergestellt und ebenfalls durchleuchtet.

Laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft habe sich so der Verdacht erhärtet, die Frau habe ihr eigenes Kind für sexuellen Missbrauch zur Verfügung gestellt. In der Anklageschrift heißt es außerdem, die Taten seien vom Angeklagten "teilweise auch gefilmt worden". Ob es den Ermittlern gelungen ist, entsprechende Filmaufnahmen sicherzustellen, ist noch nicht bekannt. Ein Grund für die Vertagung bis Anfang September war, dass ein Gutachten des Landeskriminalamts zu Dateien vom Computer des Angeklagten erst seit wenigen Tagen vorliegt.

Was die Staatsanwaltschaft den beiden vorwirft

In der Anklageschrift, die beide Angeklagten betrifft, heißt es, sie hätten sich im Jahr 2005 im Internet kennengelernt. In Chats und bei persönlichen Treffen habe der Mann der Frau seine sexuellen Fantasien geschildert: Er wünschte sich Kindesmissbrauch in verschiedenen Formen. Die alleinerziehende Angeklagte, "die eine dauerhafte Beziehung mit dem Angeklagten anstrebte", habe sich "diesen Fantasien gegenüber aufgeschlossen" gezeigt, heißt es in der Anklage weiter. Sie habe schließlich eingewilligt, ihm ihre eigene Tochter "zur Verwirklichung seiner sexuellen Fantasien zur Verfügung" zu stellen.

Binnen eines Jahres sei es dann zu mindestens sieben konkreten Taten gekommen. Die Mutter des Mädchen habe ihrem Kind jeweils "nicht näher bekannte Schlaf- oder Betäubungsmitteln" gegeben, so dass es "von den Handlungen der Angeklagten nichts mehr mitbekam". Die Frau sei bei den Taten, die alle nachts in ihrer Wohnung stattfanden, stets anwesend gewesen und habe den Mann unterstützt.

Richter Dopheide erklärte, dass es schriftliche Erklärungen der Verteidiger Robert Alavi und Michael Pösl für ihre Mandanten gebe. Darin heiße es, dass es nie zum Missbrauch gekommen sei. Die Angeklagten hätten lediglich im Chat Fantasien ausgetauscht, sie jedoch nicht verwirklicht. Richter Dopheide sagte weiter, dass es seit der Anklageerhebung vor einem Jahr zu einer Änderung der rechtlichen Bewertung gekommen sei. Die Frau, die bisher nur der Beihilfe angeklagt war, müsse mit einer Verurteilung als Mittäterin des Angeklagten rechnen.

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