Landkreis Ebersberg:Flüchtlinge: Die Gemeinden sind auf sich alleine gestellt

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Wenn anerkannte Asylbeweber aus staatlichen Unterkünften ausziehen müssen, haben die Kommunen im Landkreis Ebersberg ein Problem: Der Freistaat hilft ihnen nicht mehr.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Die Kommunen im Landkreis Ebersberg bereiten sich gerade auf einen Anstieg der Obdachlosenzahlen vor. Hintergrund ist eine Anordnung der Regierung von Oberbayern zur Zentralisierung bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Dadurch, so befürchtet man bei den Kommunen, würden viele anerkannte Flüchtlinge ihre Bleibe verlieren. Damit würden sie als Obdachlose gelten, für deren Unterbringung jene Kommune zuständig ist, in der ein Flüchtling zuletzt gelebt hat - also dort, wo die großen Unterkünfte stehen.

Eine Aussicht, die bei den Bürgermeistern verständlicherweise nicht auf Gegenliebe stößt. Besonders in Gemeinden, in den viele Asylbewerber leben, etwa in Poing, gibt es zwei große Unterkünfte mit insgesamt rund 300 Plätzen, die derzeit allerdings nicht voll belegt sind. 50 Bewohner sind dort derzeit Fehlbeleger. Müssten diese aus den Unterkünften ausziehen, "fallen sie uns über die Obdachlosenregel in den Schoß", formuliert es Bürgermeister Albert Hingerl (SPD). Natürlich werde man versuchen, für jeden Obdachlosen eine Bleibe zu finden, die Möglichkeiten seien aber begrenzt. So stehen in den beiden Obdachlosenunterkünften der Gemeinde gerade einmal zehn Plätze zur Verfügung.

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Auch in der Kreisstadt, wo es etwa 200 Plätze für Asylbewerber gibt, sieht man das Problem. "Wir sind froh, dass die Fehlbeleger bisher bleiben durften," sagt Bürgermeister Walter Brilmayer (CSU), denn auch in Ebersberg sind die Kapazitäten begrenzt. So gibt es die Obdachlosenunterkunft der Diakonie mit zwölf Plätzen, zudem müsse man Zimmer und Wohnungen anmieten, was laut Brilmayer "schwieriger ist, als es sich anhört". So hatte die Stadt vergangenes Jahr 28 Immobilieneigentümer angeschrieben, von denen man wusste, dass sie ein leer stehendes Haus oder eine Wohnung haben. Drei Rückmeldungen kamen, nur eine Wohnung war geeignet.

Leichte Entwarnung kommt aus dem Landratsamt. Zumindest in nächster Zukunft, so Sprecherin Evelyn Schwaiger, würden Fehlbeleger weiterhin in den staatlichen Unterkünften bleiben können. Im Moment liefen keine Mietverträge bei den kleineren Unterkünften aus, somit gebe es auch keine Platz-Konflikte durch Fehlbeleger. Wie lange das so bleibt, darüber wagt das Landratsamt keine Prognose. Zumindest in Ebersberg wird es zum Herbst eine kleinere staatliche Unterkunft weniger geben. Wenn der Mietvertrag zwischen Stadt und Kreis für das ehemalige Lehrerhaus an der Grundschule ausläuft, werde man nicht verlängern, so Brilmayer. Bisher wohnen dort Asylbewerber, künftig könnten anerkannte Flüchtlinge einziehen.

Eine Übereinkunft zwischen den Gemeinden könnte Entlastung bringen

Auch in Grafing, wo derzeit etwa 20 Fehlbeleger in staatlichen Unterkünften leben, schafft man für diese Wohnraum, wie Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) erklärt. Etwa in dem voraussichtlich 2018 fertiggestellten Haus des interkommunalen Wohnungsbauunternehmens von Landkreis und Gemeinden. Von den 21 Wohnungen bekommt die Stadt Grafing zwei für die Unterbringung von Obdachlosen. Langfristig soll auch am neuen Wertstoffhof eine Unterkunft für Obdachlose entstehen, sagt Obermayr, allerdings ist auch hier die Kapazität überschaubar. Die Bürgermeisterin rechnet mit 20 Plätzen.

Weitere Entlastung könnte eine freiwillige Übereinkunft zwischen den Landkreiskommunen bringen. Diese haben sich darauf verständigt, bei der Unterbringung anerkannter Flüchtlinge zu kooperieren, sagt Brilmayer. Dabei sollen jene Gemeinden, in deren Obdachlosenunterkünften oder Gemeindewohnungen noch etwas frei ist, Menschen aus Kommunen mit vielen anerkannten Flüchtlingen aufnehmen. Was natürlich nur so lange funktioniere, wie es solche freien Plätze gibt, sagt Brilmayer, "es ist ein Tropfen auf den heißen Stein".

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Genau wie alle anderen Maßnahmen, welche die Kommunen hier haben, sagt Hingerl. Egal wie viele Wohnungen man baut oder anmietet, diese würden nie ausreichen, "eine Gemeinde kann nicht auf einmal 100 Leute unterbringen", schon gar nicht dauerhaft. "Da müssten wir als Gemeinde eine Containeranlage wie in Grub hinstellen - dafür haben wir das Grundstück gar nicht." Und sogar diese dürfte über kurz oder lang nicht reichen, da die Zahlen stetig steigen könnten. Etwa durch Familiennachzug, aber auch deshalb, weil die in den großen Unterkünften frei werdenden Plätze ja durch neue Asylbewerber nachbesetzt werden. Sobald diese aber anerkannt sind, müssten sie wieder ausziehen - und die Gemeinden sind in der Verantwortung. "Ein Kreislauf", sagt Hingerl.

Für Poings Bürgermeister bestätigt sich damit eine Befürchtung, die er bereits vor Jahren geäußert hatte, als der Landkreis Grundstücke für Asylbewerberunterkünfte suchte: "Die etwas angeboten haben, die geholfen haben, werden jetzt dafür bestraft." Hingerl fordert darum eine neue Regel für anerkannte Flüchtlinge. Für diese sollten, im Fall der Obdachlosigkeit, nicht länger Kommunen zuständig sein - mindestens finanziell: "Der Staat muss die Verantwortung und die Kosten übernehmen." Hier müsse der Städte- und Gemeindetag aktiv werden, so Hingerl, "wir brauchen hier eine Sonderregel".

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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