Landkreis-Behörden:Panik-Button auf der PC-Tastatur

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Während die Stadt München aus Sicherheitsgründen die Türen zu ihren Dienstgebäuden verschließen will, setzen die Verantwortlichen in den Landkreis-Rathäusern und -Behörden im Notfall auf einen digitalen Hilferuf

Von Max Nahrhaft, Ebersberg

Wer das Ebersberger Amtsgericht betreten will, muss vorbei an Sicherheitskontrollen. Ob Angeklagte, Zeugen, Besucher oder Anwälte - jeder wird durch eine Schleuse geführt und nach metallischen Gegenständen durchsucht. Man muss seinen Ausweis vorzeigen und große Taschen abgeben, die in Schließfächer kommen. Nur das Nötigste darf mit in den Gerichtssaal genommen werden. Vorsichtsmaßnahmen, die zum Pflichtprogramm an deutschen Gerichten gehören, seit vor vier Jahren im Dachauer Amtsgericht ein Staatsanwalt von einem Angeklagten erschossen wurde.

Im Münchener Rathaus sowie in anderen Dienstgebäuden der Stadt will man noch einen Schritt weiter gehen. Um Mitarbeiter und Besucher zu schützen, wird das Prinzip der offenen Tür abgeschafft. In die Gebäude soll man nur noch mit festem Termin und durch Personenkontrollen gelangen. Als Grund für die Maßnahme führt die Stadt den Amoklauf am Olympiaeinkaufszentrum im Juli, aber auch die gestiegene Zahl von Angriffen auf Mitarbeiter an.

Im Landkreis Ebersberg ist die Sicherheit in öffentlichen Einrichtungen längst ein Thema. Zum Beispiel im Ebersberger Jobcenter. "Vor vier Jahren gab es einen Vorfall bei uns, da sprang ein Kunde über den Schreibtisch und bedrohte einen Mitarbeiter", sagt Hermann Schmidbartl, Leiter des Jobcenters. In solchen Fällen sei aber schnelle Hilfe möglich, denn die einzelnen Büros sind mit Verbindungstüren ausgestattet. Wenn der Kollege im Nachbarzimmer auf einen lautstarken Konflikt aufmerksam wird, kann er zur Hilfe eilen. Schmidbartl überlegt darüber hinaus, einen Sicherheitsdienst zu beauftragen, der zwar keine Personenkontrolle durchführt, aber doch das Sicherheitsgefühl verstärken könnte. Auf bekannt schwierige Kundschaft reagieren die Jobcenter-Mitarbeiter, indem diese Personen nur noch in Begleitung zu ihren Beratern gelassen werden. Auffälligere Maßnahmen lehnt Schmidbartl ab. "Wir wollen nicht den Eindruck vermitteln, dass jeder, der zu uns kommt, eine potenzielle Gefahrenquelle darstellt. Das Vertrauen zwischen Mitarbeiter und Kunden soll weiterhin gewahrt bleiben", sagt der Chef des Jobcenters.

In den meisten Gemeinden hingegen steht die Sicherheit in den Rathäusern erst gar nicht zur Diskussion. Wo es - wie in Poing - weder gefährliche Vorfälle noch Beschwerden der Mitarbeiter über aggressive Besucher gibt, besteht keine Veranlassung, etwas zu verändern. "Wir sollten auf dem Boden der Tatsachen bleiben", sagt Thomas Stark, der Geschäftsleiter der Gemeinde Poing. Er sehe keinen Grund, Sicherheitskontrollen oder eine Kameraüberwachung einzuführen. Ähnlich wird in Vaterstetten argumentiert. Lediglich wenn Besucher einen Termin im Rathaus außerhalb der üblichen Geschäftszeiten vereinbaren, schauen die Mitarbeiter durch eine Kamera über der Klingel, wer vor der Tür steht.

Pragmatisch geht Josef Schwäbl, Bürgermeister der kleinen Gemeinde Bruck, das Thema an. "Ich sitze oft bis zehn Uhr abends alleine in der Verwaltung, trotzdem lasse ich mich nicht verunsichern. Wir werden nichts anders machen", sagte Schwäbl. Nicht um gefühlte Gefahr, sondern um realistische Entgleisungen von Besuchern geht es im Markt Schwabener Rathaus. Für Ausnahmesituationen haben die Mitarbeiter eine Art digitalen Notruf, den sie über ihre Tastatur aktivieren können und der unübersehbar in leuchtenden Farben auf den Bildschirmen der Kollegen erscheint. Zurecht, wie Katrin-Maria de Laporte berichtet, die das Ordnungsamt in Markt Schwaben leitet. Eine aggressive Grundhaltung habe nämlich gerade in den letzten Jahren drastisch zugenommen, während der Anstand gegenüber den Angestellten der Gemeinde sinkt. "Viele Bürger akzeptieren immer weniger Anweisungen der Behörde und gestehen auch seltener eigene Fehler ein", sagte de Laporte, die das Ordnungsamt leitet und in dieser Funktion häufig mit aufgebrachten Mitbürgern zu tun hat. Regelmäßig werden bei Strafzetteln und nicht ausgeleerten Mülltonnen Verwaltungsangestellte bedroht oder beleidigt. Trotz alledem sei die Markt Schwabener Gemeinde weiterhin ein offenes Haus ohne Eingangskontrollen.

Ein Grundsatz, der auch in der obersten Kreisbehörde, dem Ebersberger Landratsamt, gilt. Dennoch gibt es ein Sicherheitskonzept, dass allerdings nicht auffällt. "Wir haben zum Beispiel nur einen einzigen Eingang für den Publikumsverkehr", sagt Evelyn Schwaiger, Sprecherin des Landratsamts. So lange die Tür geöffnet sei, sei auch der Empfang im Foyer besetzt. Zu vorderst aber setzt die Behörde auf die Fähigkeit der Mitarbeiter, in Konfliktsituationen deeskalierend auf den wütenden Besucher einzuwirken.

"Dazu hatten wir in den vergangenen Monaten Schulungen durch die Kripo Erding", berichtet Schwaiger. Das Verhaltenstraining sei besonders bei den Mitarbeitern im Sozialamt oder der Betreuungsstelle gut angekommen, die häufig mit Bürgern in Problemsituationen zu tun hätten. Allerdings, das betont Schwaiger auch, habe es keine Zunahme von Fällen gegeben, bei denen Behördenbesucher ausgerastet sind. Für solche Extremfälle verfügt die Behörde dann aber über ein ähnliches Alarmierungssystem wie in Markt Schwaben. So könne man still und leise Hilfe holen, ohne den Besucher weiter zu provozieren.

© SZ vom 09.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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