Kunst:Liebeserklärung an die Einsamkeit

Kunst: Die Ausstellung, von Sohn Martin Loher konzipiert, beinhaltet auch bislang selten gezeigte Werke des Anzinger Künstlerpaars.

Die Ausstellung, von Sohn Martin Loher konzipiert, beinhaltet auch bislang selten gezeigte Werke des Anzinger Künstlerpaars.

(Foto: Christian Endt)

An diesem Freitag beginnt eine Jubiläumsausstellung des expressionistischen Künstlerpaares Loher

Von Franziska Langhammer, Anzing

Schillernd und wild waren die Partys der Münchner Boheme in den Nachkriegsjahren, in seiner Mondänität legendär der Fasching im Haus der Kunst. Erstmals wurde dieser 1949 ausgerichtet, unter anderem von der Neuen Münchner Künstlergenossenschaft. Zu ihr zählten auch Joseph Loher und seine Frau Gretel Loher-Schmeck. "Zwei- bis dreimal in der Woche haben sie gefeiert", erzählt Martin Loher, der Sohn des Paares. Auch in ihrem Heimatdorf, in Frotzhofen, verfolgten die Lohers mit Vergnügen die Faschingsumzüge. Das bunte Treiben hat Gretel Loher-Schmeck auf einigen ihrer Gemälde mit kräftigen Strichen festgehalten. Eines zeigt verkleidete Menschen, ein Mädchen mit Maske, die Stimmung ist ausgelassen, im Hintergrund ist die Fassade des Loherschen Bauernhauses zu erkennen. "Meine Eltern haben den Kindern ein paar Masken geliehen", erinnert sich Martin Loher, "die hatten ihren Spaß". Er selbst habe das Ganze immer lieber aus der Entfernung beobachtet. "Ich bin eher ein Faschingsmuffel."

Das Bild "Faschingszug" ist eines der bisher selten gezeigten Werke, die nun im Loher-Haus zu sehen sind, die Vernissage findet statt an diesem Freitag, 20. Oktober. Unter dem Titel "110 Jahre Joseph Loher und Gretel Loher-Schmeck" werden auch unbekannte Werke des Malerpaares gezeigt; darunter ein Madonnenbild, das jahrzehntelang in einer Abstellkammer lagerte, bis es zufällig entdeckt wurde. Das Jubiläum ist dem Geburtsjahr geschuldet: Beide Künstler sind Jahrgang 1907. Die Werkschau - ausnahmslos Ölbilder - ist eine Auslese aus dem reichen Fundus der Lohers und bietet einen Querschnitt durch ihr kreatives Schaffen.

Joseph Loher und Gretel Loher-Schmeck zählen zur Gruppe jener expressionistischer Künstler, die heute als "verlorene Generation" bezeichnet werden: Zur Zeit des NS-Regimes galt ihre Kunst als "entartet", nach dem Krieg als unmodern. In den 40ern fanden die beiden Zuflucht vor der Gestapo in einem 200 Jahre alten Bauernhaus bei Anzing, in dem sie bis zu ihrem Tod - 2002 und 2003 - lebten. Heute dient das Haus als Galerie.

Der einzige Sohn der beiden, Martin Loher, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Werke und Haus für die Nachwelt zu erhalten. Mehrere Wochen dauerte es, die Bilder auszusuchen und zu arrangieren, erzählt er. Dabei war es ihm wichtig, thematisch ähnliche Werke zusammen zu fassen und Epochentypisches herauszustellen. Eine Reihe an Gemälden beispielsweise zeigt Interieurs, zumeist in Anlehnung an das Bauernhaus. Eine wohlige Wärme strahlen diese Gemälde von dessen Innenleben aus, meist in sanften Rot- und Pastelltönen gehalten; sie scheinen wie eine Liebeserklärung an den Rückzug ins Private, in die Einsamkeit. Auf einem Bild sinniert eine Figur auf einem ausladenden Wohnzimmersessel, den Kopf bequem auf der Hand aufgestützt. Müde scheint der Gezeigte, gleichzeitig entspannt und mit seinen Gedanken überall, nur nicht im Hier und Jetzt. Wiederkehrend ist das Motiv der Lampe, die in hellem Ocker von der Decke baumelt.

Diese Lampe existiert heute noch, erzählt Martin Loher und führt in ein kleines Zimmer abseits der Ausstellungsräume, in die ehemalige Küche. Die alte Einrichtung ist hier größtenteils erhalten, so etwa der gusseiserne Herd und der Holztisch. So verflechten sich in diesem Haus familiäre Erinnerungen mit künstlerischer Weltsicht, laden ein zu einer Zeitreise. Das jüngste Bild stammt aus dem Jahr 1986, es ist eines der letzten Ölbilder Joseph Lohers: Nach einem komplizierten Beinbruch hatte er nur noch sitzend mit Ölkreide auf Papier gezeichnet. Das Bild zeigt eine Brücke über den Tiber in Rom; eindrücklich fängt es das Leuchten der geschichtsträchtigen Metropole ein. Oder, wie Rom-Fan Martin Loher es ausdrückt: "Es gibt meines Erachtens nichts, was dieser Stadt gleich kommt."

"110 Jahre Joseph Loher und Gretel Loher-Schmeck": Frotzhofen bei Anzing, Kirchenweg 11, Vernissage am Freitag, 20. Oktober, um 19 Uhr. Geöffnet bis 29. Oktober, samstags und sonntags jeweils 14 bis 18 Uhr

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