Kunst:Kostbarer Fundus

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Ebersberg erhält Werke aus dem Nachlass des Moosacher Künstlers Otto Dressler. Mit dem Ikarus im Forst und einer Ausstellung im Rathaus soll das Andenken des selbsternannten Verfremders gewahrt werden

Von Rita Baedeker

Die Stadt Ebersberg will das Andenken des Moosacher Künstlers Otto Dressler mit einer Ausstellung im Rathaus und einer Installation im Forst wahren. (Foto: EBE)

Es war schon ein Hin und Her, bis die Gemeinde Moosach sich dazu durchringen konnte, dem Künstler Otto Dressler, der 2006 gestorben ist, eine Straße zu widmen. Die Stadt Ebersberg, die nun einen Teil des Nachlasses erhält, hat keinen Tag gezögert, dem Andenken des international anerkannten Künstlers gerecht zu werden und dem "Verfremder", wie er sich selbst nannte, ein Denkmal zu setzen. Vier Jahre nach der Dressler-Retrospektive des Kunstvereins in der Alten Brennerei soll sein Werk wieder für alle Welt sichtbar sein: Eines seiner Objekte, die Installation "Ikarus", zieht aus dem leer geräumten Atelier um in den Wald - als Teil des Skulpturenpfads im Ebersberger Forst, der demnächst erweitert werden soll. Dies haben die Stadt und Stadtarchivarin Antje Berberich, die von Dresslers Schwägerin Elisabeth Scherer zur Kuratorin des Erbes ernannt wurde, und der Bildhauer Franz Wörle jetzt beschlossen.

Berberich und Elisabeth Scherer, die jüngere Schwester der erkrankten Witwe Dresslers, welche inzwischen in einer betreuten Einrichtung in Norddeutschland lebt, haben das Haus am Osteranger in Moosach in den vergangenen Wochen ausgeräumt. "Es steht jetzt zum Verkauf", sagt Elisabeth Scherer. Der weitaus größere Teil aus dem umfangreichen Nachlass Dresslers, der am Ostfriedhof begraben liegt, ging bereits kurz nach dessen Tod an den Kunstfonds Bonn ins Archiv für Künstlernachlässe, wo die Arbeiten jederzeit öffentlich zugänglich seien, sagt Elisabeth Scherer. Ein kleinerer Teil des Erbes, Kunstobjekte, persönliche Gegenstände, Sitzkissen und Materialien aus dem Atelier, hat die Stadt Ebersberg als Dauerleihgabe erhalten.

Bis Anfang dieser Woche war Antje Berberich mit Sichten und Ausräumen beschäftigt. Rund fünfzig Kunstbroschüren, dazu Schaumstoff-Plastiken der Köpfe von Goethe, Beethoven, Lenin und anderen, Gussformen, eine Auswahl von Plakaten und Büchern, mehr als hundert Ansichtskarten, zahlreiche Objektkästen, in welchen Dressler bild- und symbolmächtig Kernsätze des deutschen Grundgesetzes mit der Wirklichkeit konfrontierte, Groß-Objekte wie den "US-Phönix", die drei "Befehlsempfänger" oder den "Ikarus", Fotografien, aber auch Memorabilien wie einen in Gips getauchten Arbeitskittel hat Berberich für eine im Frühjahr geplante Dressler-Ausstellung im Rathaus gesammelt. "Ein kostbarer Fundus, um das Andenken an den Menschen und an dessen Werk wach zu halten", sagt Berberich.

Der 1930 geborene Künstler hat von 1982 bis zu seinem Tod in Moosach gelebt. Otto Dressler ließ sich nicht einlullen von den Errungenschaften der deutschen Nachkriegsgesellschaft, von Wirtschaftswunder, Wohlstand und Demokratie. Themen wie Krieg, Gewalt, Ausländerfeindlichkeit, das immer wieder nachwachsende nazistische Gedankengut, haben ihn, der den Naziterror als Kind erlebt hat, beschäftigt und sein Werk bis zu seinem Tod geprägt. Er provozierte, eckte an, störte die Ruhe. Die Symbole von Krieg und Tod, Soldatenhelme, Waffen, Stacheldraht, Nazi-Embleme, Orden, aber auch das an einen tödlichen Unfall erinnernde zerbeulte Wrack eines Autos trugen ihm Anerkennung, Respekt, aber auch Widerstand und Wut ein. Allein mit den Versatzstücken seiner Objekte erregte er Anstoß. So wurde er beispielsweise einmal verdächtigt, gegen das "Kriegswaffenkontrollgesetz" verstoßen zu haben, nur weil er mit einer Spielzeugpistole hantierte. "Für ihn war es wichtig, etwas zu bewirken, er war Aktionskünstler und suchte immer das Gespräch, rein ästhetische Kriterien waren für ihn weniger bedeutsam", berichtet Elisabeth Scherer, die selbst vor allem kleine, frühe Objekte ihres Schwagers in Ehren hält. Dass sie sich nun um die Verteilung des Nachlasses kümmert, ist für sie eine selbstverständliche Pflicht. "Für meinen Schwager war ich stets die Kleine, wir haben uns immer gut verstanden, ich bin eben da", sagt sie.

Die Idee, den "Ikarus", der im Atelier an der Decke hing, in den Skulpturenpfad zu integrieren, hält sie für großartig. "Ich bin keine Kunstexpertin, aber ich finde, es ist besser, wenn Sachen mit der Zeit verwittern, als wenn sie irgendwo gelagert werden, wo niemand sie sieht."

© SZ vom 04.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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