Kulturtage:"Mein Erfolg bei Frauen? Weil ich nicht so klammere"

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Der behinderte Komiker Martin Fromme schafft es mit gnadenloser Konfrontation, sein Publikum bei den Ebersberger Kulturtagen lachen und nachdenken zu lassen.

Von Antonia Heil, Ebersberg

Jedes Kind lernt, dass man Menschen mit Behinderung nicht anstarren sollte. Doch an diesem Abend ist alles anders. "Viele Leute fragen sich ja, ob man über Behindertenwitze lachen darf", beginnt Martin Fromme seinen Auftritt. "Die klare Antwort ist: Ja sicher, darf man." Trotzdem lacht das Publikum der Ebersberger Kulturtage erst einmal nur verhalten über die Späße des Komikers, dessen linker Arm nur ein Stumpf ist.

Aber das sei ja gar nicht seine eigentliche Behinderung, so Fromme, tatsächlich störe ihn nur, dass er eine Brille tragen müsse. Der "appe Arm", wie der Westfale ihn selbst nennt, sei nämlich eigentlich eine individuell angefertigte Schnitzerei aus dem Erzgebirge. Seinen Fingeransätzen am Stumpf hat er sogar Namen gegeben. Der Comedian verfolgt eine schlaue Strategie: Dadurch, dass er das Publikum gleich am Anfang derart direkt und gleichzeitig so ironisch wie möglich mit seiner körperlichen Beeinträchtigung konfrontiert, lernen die Zuschauer, sie normal zu finden.

Auf dieser Grundlage schafft es Fromme, dass das ganze Publikum den restlichen Abend lang Spaß hat. Dass niemand es makaber findet, wenn der Künstler eine Contergan-Tablette schluckt, "damit die Hand auch ja nicht mehr weiter wächst". Aber Fromme spricht nicht nur von seiner eigenen Behinderung und persönlichen Erfahrungen.

Politik, Paralympics, Sex

Thematisch setzt er sich auch mit Politik, Alltagsproblemen und den Paralympics auseinander - und mit dem besonders heiklen Thema Sex und Beziehung. "Wisst ihr, warum ich bei Frauen so einen Erfolg habe? Weil ich nicht so klammere wie andere." An dieser Stelle lacht Fromme über seinen eigenen Scherz - wie so oft an diesem Abend. Das macht ihn sehr sympathisch, und man hört ihm noch lieber zu als ohnehin schon.

Sein Programm baut Fromme geschickt zusammen aus Vortrag, selbstgeschriebenen Texten, kurzen Filmsequenzen und Fotos - wobei der Anteil an den beiden letztgenannten Bestandteilen recht hoch ist. Bei manch anderer Liveshow hätte das vielleicht seltsam oder unverhältnismäßig gewirkt. Bei Fromme passt es jedoch wunderbar. Indem er abstruse Fotos etwa von ins Nichts führenden Rollstuhlrampen zeigt, bleibt er einerseits auf der Witzebene, thematisiert aber auch die Fehler bei der Umsetzung der Integration.

Aber nicht nur die Praxis sei in dieser Hinsicht mangelhaft, meist haben auch die Leute im Alltag kein Bewusstsein für den Umgang mit Behinderungen: In seinen Videos tritt Fromme mit versteckter Kamera in Restaurants oder auf der Straße auf und setzt dabei seinen Armstumpf gekonnt in Szene. Ins Telefon sprechend behauptet er einmal, er sei Tierarzt und das ungeborene Kalb hätte ihm noch im Mutterleib den Arm abgebissen. Ein anderes Mal gibt er sich als Callboy aus und erklärt dem Gesprächspartner in der Leitung, er könne seinen Armstumpf wie einen Dildo verwenden. Die Leute um ihn herum schauen verwirrt.

"Mir ist es wichtig, Haltung zu zeigen"

Die Taktik des Komikers ist klar: Durch gnadenlose Konfrontation, verpackt in gute Scherze und treffende Pointen, sollen sich die Zuschauer mit dem Thema Behinderung auseinandersetzen. Das gelingt ihm auch: Noch bei der Heimfahrt mit der S-Bahn kann man Gespräche darüber hören, ob die Witze nun gut waren oder nicht.

"Mir ist es sehr wichtig, Haltung zu zeigen", erklärt Fromme. "Das Thema Inklusion muss in den Köpfen ankommen. Ich trage meinen Teil dazu bei, indem ich auf der Bühne Witze über mich selbst mache." Auch Behinderte seien von seinem Programm restlos begeistert, so der Künstler.

Ursprünglich hat der 54-Jährige "ganz normale Comedy mit maximal zehn Prozent Behinderten-Thema" gemacht, wie er sagt, und zwar mit Dirk Sollonch in einem Duo, genannt Der Telök. "Ich war mir nie ganz sicher, wie es sein würde, ein Programm allein über Behinderung zu spielen", erzählt er. Aber nachdem er ein Buch zum Thema veröffentlicht habe, sei das so gut angekommen, dass er sich mit dem aktuellen Solo auf die Bühne gewagt habe. Mit Erfolg.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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