Kritik:Verdrehte Welt

Kritik: Ein Kleidungsstück wie ein Statement: Inka Meyer kommt in einer ausgewaschenen Kapuzenjacke auf die Bühne. "Der Teufel trägt Parka" ist ihr zweites Bühnenprogramm.

Ein Kleidungsstück wie ein Statement: Inka Meyer kommt in einer ausgewaschenen Kapuzenjacke auf die Bühne. "Der Teufel trägt Parka" ist ihr zweites Bühnenprogramm.

(Foto: Christian Endt)

Eine norddeutsche Kabarettistin kommt nach Oberbayern und bringt das Publikum zum Johlen. Inka Meyer überzeugt im Anzinger Weinbeisser mit scharfen Pointen und feinem Wortwitz

Von Korbinian Eisenberger, Anzing

Es ist nur ein kleiner Moment, der die Fallhöhe dieser Begegnung umreißt: Eine Frau steht auf der Bühne, schaut in erwartungsfrohe Gesichter und erzählt einen Witz, bei dem es um die Doppelbedeutung des Worts Belag geht, um einen Begriff also, der gleichermaßen an Zahnhygiene wie an Brotzeit denken lässt. Der Oberbayer belegt seine Semmel zum Beispiel mit einem Greicherten oder Gselchten. Doch davon ist hier nicht die Rede. Die Frau auf der Bühne erzählt von einem Brotaufstrich namens "Schwaddemagen". Schwaddemagen? Da schauen sich einige im Publikum fragend an. Was ist das denn für eine?

Die Frage ist berechtigt, wenn eine ziemlich unbekannte Kabarettistin mit friesischen Wurzeln und norddeutscher Aussprache ins tiefste Oberbayern kommt. Dort schließlich lacht man zwar gerne über den "Preißn"-, aber nur ganz selten mit ihm. Inka Meyer wagt sich am Mittwochabend trotzdem auf die Kleinkunstbühne des Anzinger Weinbeissers. Vor 50 Gästen legt sie dort mit ihrem aktuellen Programm "Der Teufel trägt Parka" ihren ersten Auftritt im Landkreis Ebersberg hin. Nach der Zugabe ist klar: Es dürfte nicht ihr letzter gewesen sein.

Im Prinzip hat Meyer das Anzinger Publikum spätestens mit diesem Satz überzeugt: "Als Frau kann man noch so dünn sein, man sieht immer aus, als hätte sich eine Leberwurst in einer Angelschnur verheddert." Einigen Gesichtern sieht man beides an, Begeisterung und Überraschung, ob so viel humoristischer Wucht bei so wenig Grobschlächtigkeit - ist man es doch von Bayerns rar gesäten Vorzeigekomödiantinnen wie Monika Gruber oder Luise Kinseher ganz anders gewohnt. Dann bekommt die andere Hälfte im Saal eine übergezwiebelt: "Potenzsteigerung durch Tigerpisse ist Unfug", erklärt Meyer. "Da hilft nur noch ein Porsche."

In der Weinbeisser-Stube sitzen an diesem Abend 24 Frauen und 24 Männer, was gar nicht verwunderlich ist, denn Meyers Humor könnte demokratischer nicht sein: Er nimmt beide Geschlechter gleichermaßen aufs Korn und erzeugt dadurch eine Dynamik im Publikum, die sich durch den Abend zieht: Mal lacht die eine Hälfte mehr, mal die andere. Man merkt der Frau mit dem norddeutschen Slang zwar nicht an, dass sie in Bayern wohnt. Trotzdem ist die Verbindung zum Publikum vom ersten Moment an da. Und das liegt nicht nur daran, dass es um Mann und Frau geht.

Das wichtigste Erfolgsrezept ihres Programms ist sicherlich die Technik, mit der Meyer ihre Pointen setzt. Die ist nicht sonderlich kompliziert, aber gnadenlos effektiv, was man dem Anzinger Publikum durchaus anmerkt. Faltencremes? "Natürlich ist es schlimm, wenn man auf die 50 zugeht", sagt sie. "Aber noch schlimmer ist es, wenn man aus der falschen Richtung kommt." Wie hier greift die 38-Jährige gesellschaftliche Phänomene auf und entlarvt sie, indem sie die Begriffe wortwörtlich nimmt und in einen neuen Kontext setzt. Inka Meyer verdreht die Welt - eleganter als Bayerns Parade-Wortakrobat Willy Astor, geschmeidiger als der politische Linguist Bruno Jonas. Heraus kommen Sätze wie dieser: "Ich habe keine Falten, sondern einen Sixpack vom Lachen."

Und so bringt die friesische Variante des Wortes "Schweinemagen" die Anzinger nur für einen Augenblick ins Grübeln. Lang hat man auch nicht Zeit dafür, denn Meyer feuert ihre Worte nur so von der Bühne. Bei all den geschliffenen Pointen vergisst man fast, dass "Der Teufel trägt Parka" nicht nur ein Spaßmacher-Programm ist, sondern auch ein Gesellschaftsverriss. "Wir sind so sehr auf Gesundheit und Schönheit fixiert, das wir das gar nicht mehr merken." Meyer zieht über das allmächtige Modediktat her, ledert gegen Kosmetikreklame, gegen Frauenzeitschriften und Schönheits-Tipps, "damit die Haut Selfie-ready gemacht" wird.

Das kauft man ihr ab, nicht nur weil sie eine ausgewaschene Kapuzenjacke zur Jeans trägt. Auch weil sie von fiesen Kindheitserlebnissen erzählt, wo äußere Makel präziser benannt werden als in der verdrehten Erwachsenenwelt, wo etwa "hässliche Babys zum Tabuthema" erklärt werden. "Niemand sagt nach der Geburt: Jetzt echt oder?" Sieht jemand schön aus oder nicht? Für Meyer ist das die falsche Frage. Für sie geht es darum, ob man jemanden schön findet. Und so wird es am Ende versöhnlich: Nur mit dem Herzen sieht man gut, erklärt Meyer, "weil die Liebe blind ist". Dann geht im Weinbeisser das Licht aus.

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