Kritik:Aufregende Flugroute

Quadro Nuevo und Cairo Steps Rathauskonzert Vat

Ein fliegender Teppich, acht hervorragende Musiker: Für ihr mehr denn je orientalisch angehauchtes Programm haben sich "Quadro Nuevo" mit den ortskundigen "Cairo Steps" zusammengetan.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Orientalische Klänge beleben das Programm von "Quadro Nuevo" und lassen beim Neujahrskonzert im Seniorenwohnpark Vaterstetten den "Flying Carpet" schweben

Von Ulrich Pfaffenberger, Vaterstetten

Eine Punktlandung in den Herzen des Publikums hat der "Flying Carpet" von Quadro Nuevo beim Neujahrskonzert in Vaterstetten hingelegt. Bei der Exkursion auf dem fliegenden Teppich präsentierten sich die Weltmusiker Evelyn Huber, Mulo Francel, Dietmar Lowka und Andreas Hinterseher orientalischer denn je, ohne ihre Liebe zum Tango und zur Musette zu verleugnen. Mit dem Ensemble Cairo Steps hatten sie dabei ortskundige Wegbegleiter an Bord, mit denen sie einen inspirierten Dialog führten. Die Ideen und Instrumente dieses Quartetts woben erfrischende Innovationen ins wohlvertraute Klangbild, machten das "Quadro" wieder ein Stückchen mehr "nuevo". Darüber durften sich nicht nur langjährige "Passagiere" freuen, auch dem Publikum der Rathauskonzerte - im Exil im Seniorenwohnpark - öffneten sich so aufregende Perspektiven.

Die ausgeprägte Musikalität von Quadro Nuevo, sichtbar im geschwisterlichen Umgang mit den Instrumenten und deren jeweiligem Charakter, zeigte sich am Sonntagabend einmal mehr auf jenem hohen Niveau, das seit Jahren den guten Ruf des Ensembles ausmacht. Insbesondere in den dicht gepackten, gleichwohl entfesselt und voll Hingabe gespielten Improvisationen liefen die vier zu Hochform auf. Allen voran D D Lowka, der einen Bass-Feiertag zelebrierte und mehrmals in aufregenden Dialogen mit Schlagzeuger Max Klass dem Publikum den Atem raubte. Ein Stück wie "Sansibar" erreichte durch die Soli der Rhythmusgruppe eine lang nachhallende Dramatik, genauso wie das nadelstichfeine Pizzicato-Wechselspiel zwischen Bass und Harfe zu Beginn der "Nilade" ein Knüpfen und Weben von aufregenden Mustern einleitete, denen sich die Zuhörer nicht entziehen konnten.

Bei aller Liebe zur verspielten Fantasie: Dass bei diesem Konzert sich die Linien als klarer, die Akzente als markanter und die Dynamiken als kraftvoller erwiesen als in der Quadro-Nuevo-üblichen Leichtigkeit, ist eindeutig dem Einfluss der Partner auf dem Flying Carpet zuzuschreiben. Pianist Sebastian Müller-Schrobsdorff zeigte sich als zupackender Bandleader, der seinen Solisten so viel Freiheit wie möglich gab und so viel Disziplin wie nötig abverlangte. Seine ordnende Hand führte nicht nur die Klavierstimme in ihrer tragenden Rolle, sie navigierte den Flug auf dem Teppich stets souverän durch Klangwelten und Tonlagen-Cumuli. Eine erstklassige Performance, manche Airline wäre dankbar für solch einen Chefpiloten.

Oder für solch feinfühlige Virtuosen beim Instrumentenflug wie den Ägypter Basem Darwish an der Oud und den Iraker Rageed William an den "Nay" und "Duduk" genannten Flöten. Wer ihrem filigranen und geistvollen Musizieren nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit den Augen folgte, dem drängte sich das Bild vom göttlichen Funken auf. Nur dass dieser nicht, wie bei Michelangelo, einen Menschen beseelte, sondern Instrumente, die in den Händen ihrer Musiker zum Leben erwachten. Vor allem das Spiel dieser beiden hob die überwiegend orientalisch gefärbten Melodien des Konzerts heraus aus der Folklore und verknüpfte sie glaubwürdig mit der klassischen Tonalität der Konzertreihe.

Zu den überwiegend kontemplativ angelegten Melodien gesellten sich während der knapp drei Stunden im ausverkauften Festsaal einige griffige Bigband-Nummern - kein Wunder bei acht Musikern. Die "Symphony for the Sheik" und "Ikarus' Dream" verströmten Glanz und Energie, gerade weil die unterschiedlichen Stimmgruppen in immer neuen Kombinationen zu fliegenden Improvisationen zusammenfanden. Ein feiner Genuss für das geschulte Ohr und, weil dabei die Quadros ihren lateinamerikanischen und frankophilen Leidenschaften folgen durften, zugleich auch eine frische Brise in den Wechselwinden zwischen Okzident und Orient.

Auf diesen vermeintlichen Gegensatz zielten auch die Worte von Darwish gegen Ende: Sie lieferten gewissermaßen den Untertitel zum Miteinander der Ensembles. "Die Harfe und die Ziehharmonika können orientalische Musik machen, die Oud und die Flöte fügen sich nahtlos in westliche Jazzmusik ein. So, wie wir hier zusammen musizieren, sollten Menschen aller Kulturen sich verständigen. Egal, wie man seinen Gott nennt, es ist immer der gleiche. Die Sprache der Musik ist unsere Hoffnung." Das Publikum verstand und erwiderte die Botschaft mit genauso begeistertem Applaus wie für die Musik.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: