Krise in der CSU:Huber zu Vollhardt-Austritt: "Das ist ein Alarmsignal"

Thomas Huber Mdl CSU

Der Landtagsabgeordnete Thomas Huber aus Grafing.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Viele CSU-Politiker im Kreis Ebersberg sind unzufrieden mit dem Kurs ihrer Partei. Nicht nur der Grafinger Landtagsabgeordnete findet deutliche Worte.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Bedauern, aber auch viel Verständnis: So lassen sich die Reaktionen prominenter CSU-Mitglieder im Kreis Ebersberg auf den Parteiaustritt von Hans Vollhardt zusammenfassen. Der Altlandrat und frühere Ebersberger Bürgermeister hat, wie nun bekannt wurde, sein Parteibuch zurückgegeben, nach fast fünf Jahrzehnten in der CSU.

Fast genau so lange Parteimitglied ist auch Christa Stewens. Seit 1972 ist sie bei den Christsozialen aktiv, unter anderem war sie bayerische Sozialministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin. Seit 1978 ist die langjährige CSU-Kreisvorsitzende Mitglied im Ebersberger Kreistag, sie war also über viele Jahre eine politische Weggefährtin Vollhardts. Für dessen Entschluss, die Partei zu verlassen, habe sie "großes Verständnis", sagt Stewens. Bereits vor Monaten hätten sie gemeinsam darüber gesprochen, dass Vollhardt in der CSU keine politische Heimat mehr sehe, "ich bedauere das sehr".

Christa Stewens CSU

Die frühere Sozialministerin Christa Stewens aus Poing.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Selbst will Stewens der CSU treu bleiben - allerdings ausdrücklich nicht, weil sie den aktuellen Kurs für gut befände: "Ich bin eine Kämpfernatur und glaube, dass man von innen heraus etwas ändern kann." Ändern müssten sich die Umgangsformen, "besonders die Wörter, die benutzt werden". Auch wie sich kürzlich Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer offen über Abschiebungen an seinem Geburtstag freute, könne sie nicht gutheißen.

Besorgt ist sie über "die Abschottungstendenzen in der Flüchtlingspolitik". Vieles, was aktuell gefordert wird, widerspreche der Genfer Konvention, die auch die Bundesrepublik unterzeichnet hat. Sie höre von vielen CSU-Mitgliedern ähnliche Kritik am aktuellen Kurs, sagt Stewens, so manche hätten ebenso wie Vollhardt ihr Parteibuch zurückgegeben. "Das sind oft langjährige Mitglieder aus der bürgerlichen Mitte, sie sind stark verunsichert."

Bürgerversammlung Ebersberg

Ebersbergs Bürgermeister Walter Brilmayer.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

"Es ist eine große Unzufriedenheit zu spüren."

Das hat auch Walter Brilmayer, Bürgermeister von Ebersberg und stellvertretender Landrat, beobachtet: "Es ist eine große Unzufriedenheit zu spüren." Davon nimmt sich Brilmayer selbst nicht aus, auch er kritisiert den Kurs seiner Partei: "Wer sich nicht mehr um die Mitte kümmert, wird sie verlieren." Er habe "viel Verständnis" für den Schritt seines Amtsvorgängers, wird dem Beispiel aber nicht folgen: "Ich bleibe und will mithelfen, dass sich unsere Linie durchsetzt."

Thomas Huber Mdl CSU

Der Landtagsabgeordnete Thomas Huber aus Grafing.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dies hofft auch Martin Lechner, langjähriger CSU-Kreisrat aus Straußdorf. Die Partei sei mehr als die scharfen Worte von Söder und Seehofer, die allerdings bei so manchen durchaus ankämen, sagt Lechner, "und dann gibt es die anderen, für die das C im Vordergrund steht." Wie Hans Vollhardt und ihn selbst, erklärt er, weshalb er dessen Schritt schon verstehen könne.

"So geht man nicht mit Menschen um", kritisiert Lechner die Parteispitze, sei es in der Flüchtlingspolitik, oder bei den Angriffen Seehofers auf Merkel. Die Kanzlerin, lobt der Kreisrat, "steht zu ihren Werten, Seehofer hängt seinen Mantel nach dem Wind". Dennoch will auch Lechner in der CSU bleiben, "wenn ich nicht mehr dabei bin, kann ich auch keinen Einfluss nehmen".

Landrat Robert Niedergesäß erklärt: "Persönlich finde ich den Austritt von Hans Vollhardt sehr bedauerlich. Es freut mich aber, dass er dem Orts- und Kreisverband der CSU und der Seniorenunion weiterhin verbunden bleiben wird." Seine Entscheidung spiegle die Situation wider, "in der sich unsere Partei im Moment befindet - ein breiter Spagat von Zustimmung bis Ablehnung. Insbesondere die sehr kontroverse Diskussion mit der Schwesterpartei um den richtigen Weg bei der Zuwanderungsproblematik hat viele Blessuren hinterlassen. Ton und Umgangsformen sowie persönliche Eitelkeiten waren hier mitunter sehr unangemessen."

Eine Einschätzung, die der CSU-Kreisvorsitzende Thomas Huber teilt. "Der Umgang miteinander gefällt mir überhaupt nicht." Besonders unangenehm findet Huber "Stil und Tonlage auch von Äußerungen unseres Parteivorsitzenden", zuletzt etwa die Sache mit den Abschiebungen zum Geburtstag. "Wenn man so etwas in den Vordergrund stellt, kommen andere Themen nicht mehr durch." Dabei gebe es viele Bereiche, wo die CSU Verbesserungen für die Bürger erreicht habe, etwa im Sozialen. Wahrgenommen werde aber nur der Streit um Flüchtlinge mit der Schwesterpartei.

Dieser schrecke zunehmend auch die Mitglieder ab, sagt Huber, alleine in den vergangenen drei Wochen habe es acht Austritte deswegen gegeben. Er versuche zwar, die Austrittswilligen zum Bleiben zu bewegen, nicht immer allerdings mit Erfolg. Wie beispielsweise bei Vollhardt. Dessen Austritt "bedaure ich zutiefst", so Huber und geht noch weiter: Wenn ein so langjähriges Parteimitglied und Mandatsträger der Partei nach 47 Jahren den Rücken kehrt, "das ist ein Alarmsignal".

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