Konzertkritik:Ute Lemper bringt den Broadway nach Ebersberg

Ute Lemper Alter Speicher EBE

Ute Lemper präsentiert im Alten Speicher ein Best off ihrer Weltkarriere als Sängerin und Musicaldarstellerin.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Weltstar macht sich im Alten Speicher auf die Suche nach dem Tango. Mit einer gefühlvollen Zeitreise durch Paris, New York und Berlin bleibt sie dem Publikum dennoch manchmal fern.

Von Karin Kampwerth, Ebersberg

Eines gleich vorweg: Dieser Abend brachte den Alten Speicher an seine Grenzen. Ein Comiczeichner, hätte er das Konzert mit Ute Lemper visualisieren müssen, würde den Ebersberger Veranstaltungssaal wohl mit aufgeblähten Wänden und einem vibrierenden Dach dargestellt haben. Denn als La Lemper so richtig aufdrehte, wünschte man sich in irgendetwas ganz Großes. In die Berliner Philharmonie. Oder in die Hamburger Elphi. Alles Orte übrigens, wo Lemper in den kommenden Monaten mit ihrem Programm "Last Tango in Berlin" noch zu sehen sein wird.

Im Alten Speicher hatte die Technik zumindest zu Beginn Mühe, Lempers stimmliches Repertoire harmonisch im Raum zu verteilen. Kein Wunder: Auf ihrer Reise durch Chansons, Jazz und "Dreigroschenoper" mit Geschichten aus den Gassen von Paris, New York und Berlin haucht, schmeichelt, schmettert oder gurrt sie auf der Suche nach dem Tango in einer Tessitur von unglaublicher Bandbreite.

Doch nicht nur die Liste der bevorstehenden Konzerte via Berlin und Hamburg in Austin, Mexico City, Stanford oder Washington weist die gebürtige Münsteranerin, die seit vielen Jahren in New York lebt, als Weltstar aus. Es ist das Zusammenspiel ihres voluminösen Gesangs mit saalfüllender Präsenz und hundertprozentiger Professionalität, mit dem die 54-Jährige aus der westfälischen Provinz heraus als Sängerin, Schauspielerin und vor allem Musicaldarstellerin in der obersten Liga ihres Genres mitspielt.

Nun aber Ebersberg: Dass die oberbayerische Kleinstadt nicht der Broadway ist, lässt Lemper das Publikum am Mittwochabend im voll besetzten Alten Speicher keine Sekunde lang spüren. Stattdessen macht sie der Stadt - wie vermutlich allen anderen Orten ihrer Auftritte - gleich zu Beginn eine kleine Liebeserklärung. Und verabredet sich mit "Rrrrrolando" aus der ersten Reihe, trotz Beiseins von dessen Frau, am Bühnenausgang auf einen Absacker. Am Nachmittag hatte sie sich noch im Rathaus ins Goldene Buch eingetragen und danach mit Bürgermeister Walter Brilmayer einen Kaffee getrunken. Ganz und gar ohne Allüren sei Lemper, schwärmte Brilmayer dann noch vor Konzertbeginn.

EIne Diva auf der Bühne, die Herzen und Seelen erreicht

Die Diva gibt sie auf der Bühne. Ihre Begleiter, passend zum Programm aus Paris (Violine), New York (Klavier) und Berlin (Bass) hält sie bei ihrer musikalischen Zeitreise im Hintergrund, großartige Soli sind den Musikern nicht vergönnt. Dafür liefern sie den harmonischen Bodensatz, aus dem Lemper ihre Stimme bei Stücken wie Léo Ferrés "Avec le temps" atemberaubend in Längen zieht oder bei "Lili Marleen" eben noch verrucht klingen und eine Textzeile später in so glockenhelle Höhen aufschwingen lässt, dass man Sorge hat, das Wasserglas auf dem Klavier könnte zerspringen.

Ganz Musicalstar ist Lemper bei "Mackie Messer", lasziv streift sie mit dem Zeigefinger um die Melone - eines der ganz wenigen Bühnenaccessoires - und deutet mit elegant schlangenhaften Bewegungen zumindest an, dass sie ausgebildete Tänzerin ist. Die Zeiten aber, als sie zu Beginn ihrer Gesangskarriere einem Lied auch einmal "ein paar Beine hinterherwerfen" musste, wie sie zwischendrin erzählt, gehören der Vergangenheit an.

"Last Tango in Berlin", das ist zuallererst ein gesungenes Best of Lempers, politisch wie poetisch. Geht auch nicht anders, wenn man Bert Brecht und Kurt Weill im Programm hat. Oder Liederzyklen zu Texten von Pablo Neruda und Paulo Coelho. Lemper führt gefühlvoll über die Vor- und Nachkriegsjahre bis ins Berlin der 1980er Jahre. Dass sich der Weltstar hier musikalisch verwurzelt sieht, unterstreicht sie mit Marlene Dietrichs "Ich hab noch einen Koffer in Berlin".

Sie singt Alexander Volkoviskis Lieder der Rebellion aus dem Ghetto und Nick Caves "Water Song". Sie begibt sich mit Charles Bukowski in Brechts "Whisky Bar" und zelebriert ein umwerfendes Finale mit Édith Piafs "Milord" über ein Hafenmädchen und einen liebeskranken Herrn aus der Oberschicht. Am Ende erntet Lemper zurecht tosenden Applaus für einen emotionalen Abend mit einem Repertoire, das zu Herzen geht - aber mitunter nicht die Seele erreichte. Vielleicht lag's auch daran, dass selbst jazzige Scat-Einlagen statt improvisiert eher einstudiert klangen.

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