Konzertkritik:Anmut, Schönheit und lyrische Kraft

Flötistin Annette Hartig, Organist Matthias Gerstner und Altistin Rita Kapfhammer (von links)

Kenner und Könner: Flötistin Annette Hartig, Organist Matthias Gerstner und Altistin Rita Kapfhammer (von links).

(Foto: Veranstalter)

Bei "Bach & More" in der Keferloher Kirche Sankt Ägidius zeigen alte Meister ihre ewig jungen Seiten

Von Ulrich Pfaffenberger, Grasbrunn

Zunächst: Telemann wird viel zu selten gesungen und gespielt. Dann: Telemann und Bach befinden sich auf Augenhöhe. Des Weiteren: Wenn man die richtigen Stücke auswählt, dann ist die Musik aus Frühbarock und Barock erstaunlich zeitlos. Und zu guter Letzt: "Bach & More" ist immer einen Besuch wert, immer.

So lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen, was die Besucher des jüngsten Konzerts der langjährigen Reihe an Erkenntnis mit nach Hause nehmen durften. Die Altistin Rita Kapfhammer, die Flötistin Annette Hartig und Matthias Gerstner an der Orgel hatten am frühen Sonntagabend in der kleinen Kirche Sankt Ägidius in Keferloh ein Schatzkästlein mit Werken Bachs und Telemanns geöffnet, darin noch weitere Schmuckstücke von Heinrich Schütz und Georg Friedrich Händel. Sie präsentierten diese mit jener Zuneigung und Aufmerksamkeit, die Könner und Kenner charakterisiert, und dem Publikum ein Gefühl der Dankbarkeit vermittelt, diesen musikalischen Moment nicht verpasst zu haben.

Erkennbar war die herausragende Qualität des Konzert nicht zuletzt daran, dass sich die liedhafte Kraft der ausgesuchten Stücke in ihrer ganzen Anmut und Schönheit entfalten durfte. Allen voran die Solokantate "Kein Vogel kann im weiten Fliegen" aus Telemanns "Der Harmonische Gottesdienst", ihr Lieblingslied an diesem Abend, wie die Sängerin betonte. Ein musikalisches Triptychon aus Arie, Rezitativ und Arie von großer lyrischer Kraft und ausdrucksstarker Poesie, die Jahrhunderte überdauert hat: "Kein Vogel kann im weiten Fliegen die Schwingen der steigenden Adler besiegen,/er hebe sich gleich noch so hoch empor./Doch tut's dem Adler im Gesange mit ihrer Gurgel reinem Klange/die kleinste Nachtigall zuvor".

Um den Zugang zu den Texten zu öffnen, hatte Rita Kapfhammer einen Doppelschlüssel zur Hand: die Stimmlage Alt mit ihrer per se besseren Verständlichkeit als ein Sopran sowie die Reinheit ihrer Stimme verbunden mit einer blitzsauberen Artikulation. Das verlieht auch ihrer Interpretation des "Bringt her dem Herren" von Heinrich Schütz zusätzliche Wirkung: Kein Gesang l'art pour l'art war das, sondern eine Verneigung vor einer bewegenden Melodie, die im Wechselspiel mit Flöte und Orgel der schlichte Botschaft des Psalms tiefe Wirkung verleiht und dem Alleluja am Ende seine Glaubwürdigkeit.

Wobei festzuhalten ist, dass der Alt trotz seiner tragenden Rolle sorgsam eingebettet war in die Begleitung durch die Flöte und die Tragkraft des Generalbass an der Orgel. Annette Hartigs Spiel verlieh ihrem Instrument genau jenen frischen und jungen Charakter, der geschwisterlich die Gesangsstimme durchs Leben führt und der Poesie der Texte vitale Akzente verlieh - etwa in Händels feinsinnigem Arioso "Dank sei Dir, Herr" oder in Telemanns hoffnungsfroher Kantate "Ich bin getauft in Christi Tode". Gerstner wiederum, der mit intimer Werkkenntnis und ausgeprägtem Vertrauen in seine Gäste das Programm zusammengestellt hatte, bestellte an der Orgel behutsam das Feld, auf dem die alten Melodien neue Blüten treiben durften. Dabei kam dann zum Beispiel ein Bach zustande, der so ganz und gar nicht wie ein typischer Bach klang: In die "Betörte Welt", eine Arie aus der Kantate "Was frag' ich nach der Welt", fügten sich Flöte und Gesang zu einem überraschenden Lied voller irdischer Lebensfreude, deren Klang weit über den Kirchenraum hinausgreift. Eine äußerst überzeugende Interpretation, zum Nachdenken anregend.

Dass die Besucher dieser Stunde so viel mit nach Hause nehmen durften, lag nicht zuletzt an der erstaunlichen Akustik der kleinen romanischen Kirche - die sich erst dann wirklich entfaltet, wenn die Sitzreihen gut gefüllt sind und die Anwesenden dem Bau Resonanz verleihen. Das würde man dem schlichten Raum auf Anhieb gar nicht zutrauen. Er braucht aber auch Künstler, die über die menschliche Größe verfügen, sich einzufügen in Zeit und Raum, die Komponisten und ihren Werken mit Respekt begegnen und die bereit sind, ihr Können als Gabe anzunehmen. Das gab es am Sonntag bei Bach & More in feinstem Miteinander - und wurde von den Gästen mit langem, anerkennenden Beifall bedacht.

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