Konzert:Wenn Musik zur Wärmequelle wird

Herbstkonzert Symphonieorchester Kulturverein Zorneding

Eine feste Burg: Dirigent Andreas Pascal Heinzmann leitet das Symphonieorchester Zorneding-Baldham bestens durch den Abend.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dem Symphonieorchester Zorneding-Baldham gelingt in der ungeheizten Schulturnhalle ein bewegendes Konzert mit Werken von Mendelssohn und Tschaikowsky

Von Rita Baedeker, Zorneding

Wäre es am 31. Oktober vor 500 Jahren in Wittenberg so kalt gewesen wie am Samstag in der Zornedinger Schulturnhalle, dann hätte Felix Mendelssohn-Bartholdy möglicherweise nie eine Reformationssymphonie komponiert, erklärt Andreas Pascal Heinzmann mit galligem Humor zu Beginn des Konzerts des Sinfonieorchesters Zorneding-Baldham. Denn dann, so fährt der Dirigent fort, hätte Luther seine Thesen womöglich an die Wände eines Wirtshauses geschlagen - von innen, versteht sich. Und hätte so vielleicht niemals Weltgeschichte geschrieben.

Irgendein Missverständnis hat dazu geführt, dass es in der Halle bitterkalt ist. Der Hausmeister ist in Urlaub, geheizt wurde der falsche Raum, irgendetwas in der Art ist passiert. Die Besucher ziehen also ihre Mäntel erst gar nicht aus und rücken enger zusammen. "Im Alten Speicher (wo das Konzert am Sonntag zur Aufführung kam), ist es sicher schön warm", räsoniert ein Besucher. Auch die Musiker frösteln, sorgen sich um klamme Finger und die Reinheit der Intonation.

Der Erkenntnisgewinn des Abends lautet: Musik ist eine prima Wärmequelle. Umso mehr, als in den zweiten Satz der Reformationssymphonie ein paar Elfen aus Mendelssohns Musik zum Sommernachtstraum platzen und an das in wärmeren Klimazonen und Sphären angesiedelte Werk des Komponisten erinnern.

Die Reformationssymphonie entstand 1830 zum 300-jährigen Bestehen des Augsburger Bekenntnisses von Philipp Melanchthon. Mendelssohn, der mit sieben Jahren vom jüdischen zum christlichen Glauben konvertiert wurde, hat darin im letzten Satz Martin Luthers Choral "Eine feste Burg ist unser Gott" und ein weiteres sakrales Thema, das "Dresdner Amen", verarbeitet. Bei diesem Motiv handelt es sich um eine aufsteigende Sequenz aus sieben Akkorden, mit welchen der Chor der Hofkirche auf liturgische Fürbitten zu antworten pflegte. Das Motiv machte musikgeschichtlich Karriere, es taucht auf als Gralsmotiv in Wagners Oper "Parsifal"; und findet sich eben auch in Mendelssohns Werk.

Bläserfanfaren, feierlich-erhabene Choralsätze und polyphon verarbeitete Themen, die sich nach und nach in eine romantische Klangsprache auflösen, charakterisieren diese wundervolle Symphonie. Ob Kirchenmusik oder Elfenreigen, das Orchester, zu dem neuerdings auch Mitglieder des Schulorchesters am Gymnasium Kirchseeon gehören, präsentiert sich als fein abgestimmter Klangkörper. Jede einzelne Stimme ist hörbar, die Rufe und Fanfaren der Bläser gehen unter die Haut, die Streicher erzeugen wirbelnden Aufruhr. Bis sich im abschließenden Choralsatz alle zum Jubelgesang vereinen. Und mittendrin, im mal filigranen, mal wuchtigen Klanggebäude, erweist sich Dirigent Heinzmann als feste Burg.

Zu Beginn des Konzerts erklingt die Ouvertüre zu Mendelssohns Oratorium "Paulus", in dem es um die Wandlung des Saulus zum Apostel geht. Der Komponist hat sich intensiv mit der Musik von Johann Sebastian Bach auseinandergesetzt und nach dem auffordernden Eingangschoral "Wachet auf, ruft uns die Stimme..." von Philipp Nicolai (1599) eine meisterhafte Fuge gesetzt. Auch hier gestalten die Bläser des Ensembles den eindringlichen Weckruf klangschön und intonationssicher.

Die Art Verehrung, die Mendelssohn für Bach hegte, empfand Peter Iljitsch Tschaikowsky für Mozart. Seine Orchestersuite "Mozartiana" ist das dritte vor der Pause gespielte Werk. Auf eine mehrstimmige Gigue und ein Menuett folgt der Satz "Preghiera" (Gebet), eine Bearbeitung von Mozarts "Ave verum". Im letzten Satz, Thema mit Variationen, dürfen einzelne Stimmen und Instrumente solistisch glänzen, sogar eine Passage mit Glockenspiel ist dabei. Mal klingt die Musik spritzig, mal zart, mal festlich und mal elegisch. Höhepunkt der Aufführung ist die Variation mit Violinensolo, virtuos gespielt von Konzertmeisterin Franziska Wilkesmann. So feurig und druckvoll interpretiert sie ihren Part, dass die Luft um sie herum zu brennen scheint.

Das Zornedinger Publikum spendet schließlich mit Händen und Füßen den verdienten heftigen Beifall. Das Kältegefühl ist da schon längst innerer Wärme und Freude gewichen.

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