Konzert:Kleine Nichtmusik im Mondschein

Konzert: Makelloses Ensemble: Geigerin Lena Neudauer, Pianist Paul Rivinius, Bratscher Benjamin Rivinius und Cellist Julian Steckel in Vaterstetten.

Makelloses Ensemble: Geigerin Lena Neudauer, Pianist Paul Rivinius, Bratscher Benjamin Rivinius und Cellist Julian Steckel in Vaterstetten.

(Foto: Christian Endt)

Rathauskonzert mit vier Solisten und einer Parodie

Von RITA BAEDEKER, Vaterstetten

Wenn ein Jahr zu Ende geht, etwas Neues beginnt, dann stimmt die halbe Welt "For Auld Lang Syne" an, jenes alte schottische Abschiedslied mit der Aufforderung, das Glas zu erheben und einen ordentlichen Schluck zu nehmen "auf alte Zeiten", die schön waren, aber niemals wiederkehren. Der Geiger Jascha Heifetz, der alljährlich an Silvester zu einer musikalischen Soiree lud, wollte mit alten Freunden auf neue Art und Weise feiern und bat seinen Nachbarn, den deutsch-amerikanischen Filmkomponisten Franz Waxman, etwas Unterhaltsames zu schreiben. Dieser, ein Meister seines Fachs, schuf für den Abend des 31. Dezember 1947 vier geniale Parodien auf das kleine Lied in der Besetzung für Klavier, Violine, Bratsche und Violoncello. Heifetz spielte die Geige.

Das heute leider fast unbekannte Werk des 1906 in Oberschlesien geborenen deutschen Komponisten erklang nun am Sonntag beim Rathauskonzert im Seniorenwohnpark Vaterstetten. Es spielte ein ebenso glanzvoll wie makellos musizierendes Ensemble, bestehend aus der Geigerin Lena Neudauer, dem Bratscher Benjamin Rivinius, dem Cellisten Julian Steckel und dem Pianisten Paul Rivinius.

Waxman, der rund 200 Filmmusiken komponiert hat, darunter für Klassiker wie "Der Blaue Engel" von Josef von Sternberg, "Rebecca" und "Das Fenster zum Hof" von Alfred Hitchcock, studiert in Berlin klassische Musik, bevor er sich einer Jazz-Combo anschließt. Später emigriert er, so wie viele Musiker jüdischen Glaubens, in die USA, wo er Karriere macht.

In Waxmans Variationen haben fünf Komponisten die Ehre, parodiert zu werden: Mozart mit dem Satz "Eine kleine Nichtmusik", Beethoven und seine Mondscheinsonate, die hier "Moonlight Concerto" heißt und in der das Trinklied und einige Takte aus dem Violinkonzert miteinander verwoben sind; Bach mit der "Chaconne a son gout" für Violine solo, in der Waxman mit Noten und Worten spielt - mit Bachs Chaconne aus der Partita Nummer 2 und mit dem Lied des Prinzen Orlofsky aus der "Fledermaus", in dem es heißt "chacun a son gout" (jeder, wie es ihm gefällt). Lena Naudauer spielt den Part mit Bravour. Virtuos den Vorbildern nachempfunden auch der vierte Satz, die "Hommage to Shostakofiev", in der Schostakowitsch und Prokofjew zitiert werden. Und immer wieder klingt es an und durch, das "auld lang syne", in neuem Gewand, neuen Farben, Rhythmen, Stimmungen - von der schlichten Serenade Mozarts bis zu den russischen Komponisten mit ihrer fantasievollen, eindringlichen und verstörenden Tonsprache.

Eingerahmt wird Waxmans Werk von jeweils einem Klavierquartett von Mozart und Gabriel Faure. Beide Komponisten haben nur jeweils zwei Werke dieser Gattung geschrieben. In Mozarts Quartett in Es-Dur agieren Streichtrio und Piano ausgewogen, wie aus einem Guss, jedes der Instrumente darf aber auch solistisch glänzen, gerade im zweiten Satz, dem schönen Larghetto in As-Dur mit seinen lyrischen Klangfarben. Ein Erlebnis ist das Klavierquartett Nummer 1 in c-Moll von Faure. Das viersätzige Werk beginnt mit einem bewegten punktierten Rhythmus. Aus dem Wogen und Wiegen werden melodische Motive geboren, weitergetragen, verwandelt und verdichtet. Die Streicher spielen mit Inbrunst, so als öffneten sie Arme und Herzen, auch das Piano schwelgt im Dolce. Das Scherzo mit seinem kecken Pizzicato klingt dagegen wie ein Reigen übermütiger Kobolde, abgelöst von einem elegischen, verhauchenden Adagio und einem bewegten, teils dramatischen Finale.

Zur "Beruhigung aller" (Benjamin Rivinius) spielt das Ensemble als Zugabe einen lyrischen Satz aus Robert Schumanns Klavierquartett - berührender Ausklang eines erlesenen Abends, der einmal mehr den Wunsch nach einem richtigen, der hohen Qualität der Reihe angemessenen Konzertsaal weckt.

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