Konzert:Eros und Thanatos

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Einen eher zwiespältigen Abschluss erhält die Klavierzyklus-Saison des Kulturvereins Zorneding-Baldham mit dem Konzert von Maria Lettberg. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Maria Lettberg stellt "Liebe und Tod" ins Zentrum ihres Konzerts beim Ebersberger Klavierzyklus, echte Begeisterung entfacht sie allerdings erst nach der Pause

Von Peter Kees, Ebersberg

Richard Wagner und Franz Liszt waren bekanntlich Freunde. Mehr noch, Liszt wurde Wagners Schwiegervater. Wenn auch die langjährige Musikerfreundschaft nicht ganz ungetrübt war - Wagner häufig zugeschrieben wird, sich bei Liszt reichlich musikalisch bedient zu haben, er spricht in seinen Tagebüchern selbst davon, "daß ich seit meiner Bekanntschaft mit Liszts Kompositionen ein ganz andrer Kerl als Harmoniker geworden bin, als ich vordem war" - so sind sie doch eine Generation, Charaktere fortschrittlichen und revolutionären Geistes und haben gewissermaßen das Tor zur Moderne geöffnet, zumindest entwickelt sich mit Wagner und Liszt eine bis dato unbekannte exzessive Harmonik. Weiß man ein wenig über die Beziehung dieser beiden Großmeister, so ist es nicht verwunderlich, dass der Pianist und Komponist Franz Liszt Isoldes Liebestod aus Wagners Musikdrama "Tristan und Isolde" für Klavier transkribiert hat. Darin übrigens hat Liszt sein Lied "Ich möchte hingehn" aus dem Jahr 1844 zitiert, in dem bereits jener "Tristan-Akkord" vorkommt, der etwa zehn Jahre später Wagner zugeschrieben wird.

Leidenschaft und Rausch, Liszt hat sein Publikum gern enthusiastisch begeistert, bis hin zu massenhysterischem Taumel. Das ist bei Wagner im Bayreuther Tempel nicht anders. Und da sind wir beim Thema des Klavierabends von Maria Lettberg: Liebe und Tod. Wohl kaum ein Werk der Musikgeschichte behandelt die Verbindung von Liebe und Tod, die tödliche Konsequenz aus der real unlebbaren Leidenschaft exzessiver Liebe konsequenter als Wagner in seinem Tristan: Isolde folgt ihm aus purer Liebe in den Tod. "Mild und leise" beginnt Isolde die letzten Minuten des Wagnerschen Liebesdramas. Liszts Klaviertranskription übersetzt diese Minuten meisterhaft, eine ewige Stille müsste folgen. In Ebersberg folgte keine Stille, es folgte ein Trauermarsch von Liszt.

Die in Riga geborene Pianistin Maria Lettberg konzertierte vergangenen Sonntag im Alten Kino in Ebersberg beim Klavierzyklus des Kulturvereins Zorneding-Baldham. Im Programm hatte sie auch jene Liszt'sche Klaviertranskription von Isoldes Liebestod - doch massenhysterischer Taumel stellte sich nicht ein. Maria Lettbergs Interpretation dieser Tristan-Schlussszene fehlte etwas, das Geheimnis, der Zauber, der einem wirklich den Atem stocken lassen kann. Lettberg, sicher technisch versiert, war zu unruhig, traf weder Tempo noch Dynamik. Man hörte eher gelassen zu. Es mag ihr zugute gehalten werden, dass sie sich, zumindest im ersten Teil des Abends, bemühte, jeweils mit ein paar einleitenden Worte die einzelnen Stücken zu erklären, weil dem Veranstalter die Programmhefte nicht geliefert worden waren - ein Gesprächskonzert aber kann per se gar nicht so hoch konzentriert sein wie ein reines Klavierkonzert. Im ersten Teil des Abends zog die Pianistin ihr Publikum jedenfalls nicht in ihren Bann, sie wirkte eher uninspiriert.

Ganz anders jedoch im zweiten Teil. War man eingestellt auf einen eher harmlosen Restabend, so durfte man sich belehren lassen: Plötzlich war sie da, leidenschaftlich, kraftvoll, mit Spannung und starkem Ausdruck.

Maria Lettberg hatte einen Abend zusammengestellt mit dem Fokus auf Alexander Skrjabin und Franz Liszt. Auf der einen Seite Hochromantik, auf der anderen Musik einer ganz anderen Epoche. Skrjabin ist 1872 geboren, Liszt 1886 gestorben, Wagners Tristan wurde 1865 uraufgeführt. Während Liszt, wenn auch durchaus narrativ, mitunter poetisch, harmonisch klar der Hochromantik zuzuordnen ist, so sind Skrjabins Klavierklänge irgendwie lautmalerischer, schwebend, teils auch mystisch - und doch, so weit liegt das alles gar nicht auseinander. Immerhin war Skrjabin, zumindest zu Beginn seines Schaffens, stark von Franz Liszt und Frederic Chopin beeinflusst. Auch hat er sich mit Wagners Chromatik auseinandergesetzt. Doch gerade in seinem Spätwerk hat er das Alles überwunden und eine eigene musikalische Ästhetik gefunden.

Und natürlich hat die Pianistin recht mit ihrem Satz, beide Musiksprachen hätten erotische Züge. Wenn man Georges Bataille glauben schenken mag, so spiegelt La petite mort, "der kleine Tod" im Eros, durchaus den großen Bruder wieder. Liszts Marche funèbre hat auch Eros in sich. Zu Skrjabins Klaviersonate Nr. 9, op. 68, im zweiten Teil des Abends gespielt, nicht von ihm selbst als "Schwarze Messe" bezeichnet, äußert sich der Komponist: "In der neunten Sonate bin ich tiefer als jemals zuvor in Berührung mit dem Satanischen gekommen. . . Dort [im Poème op. 36] ist der Satan zu Gast und hier ist er zu Hause." Wagners Tristan und Isolde ist Liebe für die Ewigkeit. Der Wechsel aus Skrjabin und Liszt im Klavierrezital Maria Lettbergs hatte dichte Dramaturgie, wenn auch andere Querverweise und Klangfarben dieses Konzept durchaus noch bereichert hätten.

© SZ vom 31.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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