Konzert:Ein Streifzug durch Höhen und Tiefen

Konzert: Der erste Teil des Konzerts wirkt eher fad und uninspiriert; vielleicht weil Sänger Sebastian Horn die ganze Zeit über auf seinem Stuhl sitzt.

Der erste Teil des Konzerts wirkt eher fad und uninspiriert; vielleicht weil Sänger Sebastian Horn die ganze Zeit über auf seinem Stuhl sitzt.

(Foto: Christian Endt)

Beim ihrem Konzert im Alten Speicher in Ebersberg erzählt die Band "Dreiviertelblut" Geschichten aus dem bayerischen Leben ganz ohne platte Attitüden

Von Peter Kees, Ebersberg

Vielleicht liegt es einfach an der Routine, die sich bei einer Konzerttournee einschleicht: Der erste Teil des Konzertes der Band Dreiviertelblut am Samstag im Alten Speicher wirkte fad, belanglos und uninspiriert; vielleicht gerade mal nett. Auf der Bühne saßen die beiden Bandleader - der Komponist Gerd Baumann an der Gitarre und Sebastian Horn, Textdichter und Sänger in einem -, der Trompeter Andreas Lutherer, der Schlagzeuger Florian Rein, der Kontrabassist Benjamin Schäfer und der E-Gitarrist Luke Cyrus Götze. Doch der Groove der besinnlich melancholischen Lieder blieb zunächst aus. Der Name der Band schien Programm: fast alle Songs hatten einen Dreierrhythmus.

Dass das gewisse Etwas fehlte, mag schon an der Monotonie der musikalischen Mittel gelegen haben: ähnlich klingende Strophen wechselten sich ab mit ähnlich klingenden instrumentalen Zwischenspielen; die bayerisch angehauchte Melodik war brav und harmlos, ihre Harmonik simpel. Erst nach der Pause kam mehr Blut ins Spiel.

Gesungen wurden Heimatlieder mit Lokalkolorit des Isartals, der Gegend rund um Lenggries. Dort übrigens, zur Gemeinde Wackersberg gehörend, liegt auch der sogenannte "Hitlerberg". Über ihn haben Baumann und Horn ein Lied geschrieben, das im Ebersberger Konzert sicher der Höhepunkt war. Der richtige Name lautet "Heigelkopf"; 1934 wurde er einst umgetauft und ein groß beleuchtetes Hakenkreuz soll damals auf seinem Gipfel gestanden haben. Zwei Buben hatten in einer Nacht- und Nebelaktion Fahnenmasten umgeschnitten und Hitlerbilder mit Benzin übergossen. Keiner gab ihre Namen preis und so wurde ein Bauer dafür verantwortlich gemacht und ins KZ Dachau gebracht.

Dem Zuhörer fuhr schon ein wenig der Schauer in die Knochen, als in dem Lied gegen das Vergessen gesungen wurde. Denn wer erinnert sich schon gern an diese Zeit? Und doch ist es den beiden Autoren hoch anzurechnen, dass sie nicht einfach nur bequem sind. Das freilich bringt sie sicher nicht aufs Oktoberfest - was sie im Konzert mit Augenzwinkern durchaus auch selber feststellten.

Die erdige Verbundenheit der Band mit der bayerischen Seele ist in ihren Liedern jedoch nicht zu überhören. Nicht umsonst untertiteln sie ihr Programm mit den Worten "Folklorefreie Volksmusik". Das meint: Sie singen bayerische Lieder, wollen aber nichts mit Trachtentum und dergleichen zu tun haben.

Ihre Songs, die sie durchaus mit Melancholie und Düsternis angereichert haben, sind Lieder und Balladen, die vom Leben erzählen - und zwar nicht nur von dessen sonniger Seite. Da wird Schmerz thematisiert, Kummer, Traurigkeit oder Finsternis. Selbst vor dem Tod machen sie nicht Halt. Ihre Sterbelieder sind voll von schamlosem Spott und morbidem Charme. Da wird beispielsweise eine Beerdigung aus der Sicht eines Toten besungen: die Menschen, die um das Grab herumstehen; traurige, freudige, aufgeregte oder die Einsamkeit suchende. Das Wiener Lied lässt grüßen. Nicht umsonst interpretierte man auch ein Lied des österreichischen Übervaters Ludwig Hirsch.

Aber ebenso berührte die Band auch die fröhlichen und lustigen Seiten des Lebens, etwa mit dem Gassenhauer "Hollerkiacherl", der von einem Maitanz bis in die frühen Morgenstunden erzählt. Wild geht es da zu. Die "Lieder vom Unterholz" sind Streifzüge durch die Höhen und Tiefen des Lebens. Sie erzählen Geschichten, ganz ohne jene platte "Mia san mia"-Attitüde. Der setzt die Band - so auch der Titel eines Liedes - vielmehr ein "Mia san ned nur mia" entgegen. Es bleibt dennoch bayerisch.

Natürlich war man beim Konzert auch an Filme von Marcus Rosenmüller erinnert. Treffend, denn Gerd Baumann hat ebenfalls Filmmusik für ihn komponiert - etwa für seinen Film "Räuber Kneißl". Bekannt ist Dreiviertelblut übrigens auch, weil sie dieses Jahr wieder beim Singspiel auf dem Nockherberg die Musik gemacht haben. Etwas verwundert war man hingegen vermutlich, dass der Sänger den ganzen Abend über saß. Vielleicht ist auch das ein Punkt, der den Beginn des Abends so träge erscheinen ließ.

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