Kommentar:Weniger Autos, weniger Asphalt

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Können Straßen, insbesondere Ortsumfahrungen überhaupt gerecht für alle geplant werden? Nein. Deshalb muss endlich der Verkehr reduziert werden

Von Karin Kampwerth

Straßen machen Ärger. Entweder, weil sie fehlen, weil sie gebaut werden sollen oder weil sie dazu gekommen sind. Recht machen können es Planer und Entscheider dabei nur einer Klientel: Den Autofahrern und Lkw-Lenkern. Verlierer sind immer die Anwohner - oder wenn man es eine Spur größer will: die Menschen.

Den Forstinningern im Ortsteil Schwaberwegen zum Beispiel fehlt eine Umgehungsstraße, weil sie sich kaum noch aus dem Haus trauen, so dicht rauscht der Schwerverkehr am Gehsteig vorbei. Ein Glück, dass hier noch nichts Schlimmeres passiert ist. Andere Forstinninger wollen keine neue Straße, schon gar keine Umgehung, weil diese laut Planung nicht weit von ihren Grundstücken am Waldrand durch den Forst führen würde. Das, so die Sorge der Anlieger, zerstöre ein Stück Natur. Und wenn sie ganz ehrlich wären, würden sie genauso laut einräumen, dass es allein die Bäume nicht sind, um die so mancher fürchtet. Es geht beim Widerstand auch um den Wohnwert in den idyllisch gelegenen Häusern. Wobei hier niemandem unterstellt werden soll, das eine über das andere zu erheben.

Den meisten Straßenbefürwortern sind die Häuser am Waldrand und vor allem die Schneise, die laut Planung durch den Forst geschlagen werden müsste, sicher auch nicht egal. Sie finden aber, dass es Zeit sei, jetzt einmal ihre Interessen zu vertreten.

Dass weder das eine noch das andere zu verurteilen ist, zeigt ein Beispiel an der Grafinger Ostumfahrung. Die Familie Stürzer, die in einem schmucken bayerischen Wohnhaus im Ortsteil Engerloh lebt, blickte einst von ihrer Terrasse aus über Felder und Wiesen in Richtung Grafinger Sportgelände. Nun zerschneidet 200 Meter von dem Anwesen entfernt die Ostumfahrung die Landschaft. Die Straße, darin sind sich Planer und Entscheider einig, wird den Schwerverkehr und so manchen anderen Pkw auf der Durchreise daran hindern, sich durch die Stadtmitte zu zwängen. Das Nadelöhr rund um den Marktplatz wird entschärft, attraktiver und natürlich auch sicherer für die Einheimischen. Die Engerloher leiden dafür nun unter Lärm und Abgasen.

Was Forstinning, Grafing und viele andere Kommunen bei der Planung für neue (Umgehungs-)Straßen gemeinsam haben, ist unabhängig von Naturschutzaspekten die Frage der Abwägung: Ist es weniger wichtig, ein paar Anwohnern das Zuhause zu vermiesen, als einer Personengruppe in der Überzahl das Leben leichter zu machen? Die Entscheidungen darüber werden immer demokratisch getroffen. Aber ist das gerecht? Was bei den sich häufenden Konflikten um geplante und bereits gebaute Straßen bleibt, sollte die Erkenntnis sein, dass nicht länger allein darüber nachgedacht wird, die asphaltierte Infrastruktur dem stetig steigenden Verkehr anzupassen, sondern wie kluge Mobilitätskonzepte die Anzahl der Kraftfahrzeuge nicht noch weiter steigen lässt. Das hilft den Anwohnern im Grafinger Stadtteil Engerloh zwar nicht. Die Realisierung der Forstinninger Umfahrung ist allerdings noch so viele Jahre entfernt, dass zarter Optimismus, dass die Straße überflüssig wird, eine Chance verdient.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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