Namensgeber Dominik Brunner:Vorbildlich und doch unbequem

Die Entscheidung, Dominik Brunner zum Namensgeber der Realschule Poing zu machen, ist mutiger, als es im ersten Moment den Anschein hat. Denn die Rolle des 50-Jährigen bei dem Übergriff, in dessen Folge er starb, ist nicht genau geklärt.

Kommentar von Isabel Meixner

Im ersten Moment möchte man der Realschule Poing zu ihrer Namenswahl gratulieren: Es ist vorbildlich, auf diese Weise einen Mann, der vier Schüler vor zwei Angreifern beschützt hat und infolge dieses Eingreifens gestorben ist, zu würdigen und die Schüler dadurch für Zivilcourage zu sensibilisieren. Im zweiten Augenblick drängt sich allerdings eine Frage auf: Ist Dominik Brunner wirklich die geeignete Person, um Jugendlichen dieses Thema zu verdeutlichen?

Ja, Brunner ist an jenem Tag im September 2009 den jungen Menschen zur Hilfe gekommen und hat die Polizei gerufen - ein Einschreiten, dessen Wert nicht hoch genug einzuschätzen ist. Und ja, er ist Opfer eines brutalen Übergriffs geworden, einfach nur, weil er Zivilcourage gezeigt hat. Brunners eigene Rolle ist allerdings nicht unumstritten: Der 50-Jährige hat offenbar zuerst zugeschlagen. Das haben zumindest mehrere Aussagen von Augenzeugen und des S-Bahnfahrers sowie Mitschnitte von seinem Handy belegt, das während des Angriffs lief. Es war vermutlich die Angst, die ihn dazu brachte, das Münchner Landgericht sprach von einer Notwehrsituation. Doch niemand kann die Frage beantworten: Wäre die Situation derart eskaliert, wenn Brunner nicht zugeschlagen hätte?

In dem Moment, in dem eine Schule fernab von Brunners Wohn- und dem Tatort nach ihm benannt wird, wird sein Verhalten - auch in der körperlichen Auseinandersetzung - den Jugendlichen als vorbildhaft vor Augen geführt. Dominik Brunner hat sich sehr wahrscheinlich sehr menschlich verhalten. Er hat wohl lieber den ersten Schlag gesetzt, bevor er zum Opfer wurde.

Reicht aber ein "sehr wahrscheinlich" aus, um ihn und sein Verhalten - so schlimm der Angriff auf ihn ist - zum Vorbild zu erklären? Sollte man eine Schule im Zweifel nicht lieber nach einer Person benennen, deren Verhalten unumstrittener, eindeutiger ist? Die Frage lässt sich genauso gut anders herum stellen: Taugt ein Mensch nicht als Vorbild, wenn er zwar couragiert gehandelt, dann in der entscheidenden Situation aber möglicherweise eine falsche Entscheidung getroffen hat?

Die Entscheidung, Dominik Brunner zum Namensgeber der Realschule Poing zu machen, ist vor diesem Hintergrund mutiger, als es im ersten Moment den Anschein hat. Denn diese Fragen zu beantworten, ohne sein Schicksal und sein mutiges Einschreiten herabzustufen und die Gefühle der Hinterbliebenen zu verletzen, ist schwierig. Die Realschule hat sich für diesen Schritt entschieden. Für sie ist der Name gleichzeitig Chance und Auftrag: Sie kann im Unterricht und in Projektarbeiten an Dominik Brunners Fall exemplarisch herausarbeiten, wie wichtig Zivilcourage ist, wo ihre Grenzen sind und wie man in einer vergleichbaren Situation vorgehen kann, um sich nicht in Gefahr zu bringen. Gelingt das, wäre Dominik Brunner nicht - wie das bei vielen anderen, bequemeren Benennungen der Fall ist - ein stiller Namensgeber, sondern würde das Profil der Schule schärfen. Und das ist ja eigentlich das, was eine Namensgebung erreichen soll.

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