Kommentar:Veränderung braucht Struktur

Es wird sich schwer vermeiden lassen, dass Bauernhöfe aus dem Ortszentrum wegziehen. Aber man muss sich gut überlegen, was stattdessen dort gebaut werden soll

Von Wieland Bögel

Bei wenigem ist die Kluft zwischen Fantasie und Wirklichkeit so groß wie beim Landleben. Für den Stadt- und Vorstadtbewohner gilt es spätestens seit der Zeit der Romantik als Idyll - für alle, die von den Erträgen ihres Grunds und Bodens leben, dagegen als harte Arbeit. Von der man am Ende eben auch wirklich leben können will. Dies kann gelingen durch mehr oder größere Maschinen, durch modernere Ställe, durch Zusammenlegung von Flächen. Wenn dies alles in den Ortschaften keinen Platz mehr hat - wo zudem Konflikte mit idyll- und ruhesuchenden Neubürgern drohen - ist es die logische Folge, den Hof nach draußen zu verlegen. Je öfter das passiert, um so mehr wird das einstige Bauerndorf zur Wohnsiedlung.

Diese Entwicklung scheint gleich mehrere Probleme zu lösen. Außerhalb der Ortschaften gibt es genug Platz für die Höfe und ihre gewachsenen Bedürfnisse. Vielleicht bleibt dadurch der eine oder andere Betrieb erhalten, der sonst aufgeben müsste. Gleichzeitig entsteht an den alten Hofstellen gut erschlossenes Bauland, was gerade in einer Region mit großer Wohnungsnot wie im Münchner Umland sehr dringend benötigt wird. Und da die Erschließung für einen neuen Hof am Ortsrand weniger aufwendig ist, als für eine ganze Siedlung an der Stelle, fällt auch der Flächenverbrauch geringer aus als beim berüchtigten Wohngebiet auf der grünen Wiese.

Also nur Vorteile? Nicht ganz, denn zum einen lässt sich diese Hofverlagerung nur begrenzt fortsetzen. Schließlich braucht auch der neue Hof ein Grundstück, das zuvor Nutzfläche war, und die werden immer weniger - und teurer. Irgendwann ist darum auch hier eine Grenze erreicht, über die sich die letzten verbliebenen Höfe nicht mehr retten können. Zu besichtigen ist diese Entwicklung überall im Großraum der Landeshauptstadt: Je näher man dieser kommt und je besser die Verkehrsanbindung ist, desto mehr tritt die Landwirtschaft zugunsten von Wohn- und Gewerbegebieten zurück. Und diese Entwicklung setzt sich fort, was gestern Trudering war sind heute Vaterstetten und Poing und morgen vielleicht Anzing.

Aufhalten lässt sich dies höchstens in der Fantasie romantisch angehauchter Städter, beeinflussen und lenken dagegen schon. Die Kommunen sollten sehr genau darauf achten, was anstelle der alten Hofstellen neu entsteht. Abschreckende Beispiele dafür, wie man es nicht macht, lassen sich nicht erst seit der jüngsten Toskana-Welle überall im Landkreis bewundern, etwa am RossiniZentrum in Vaterstetten oder am Zornedinger Herzogplatz. Bei allem unvermeidlichen Strukturwandel sollte in den Ortschaften nämlich eines erhalten bleiben: eine Struktur.

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