Kommentar:Total unverhältnismäßig

Der Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer beleidigt und diskreditiert beim Thema Frauenhaus alle möglichen Beteiligten - und entlarvt sich dabei selbst

Von Florian Tempel

Wie Landrat Martin Bayerstorfer beim Thema Frauenhaus agiert, ist sehr beklagenswert. So vieles, was er tut und sagt, ist nicht nur schlecht, sondern falsch. Das ist bitter. Und es ist dabei egal, welchen Blickwinkel man einnimmt. Wer die Sache unter einem menschlichen Aspekt sieht, muss genau so entsetzt sein, wie ein kühler Rechner. Die Kündigung des Sozialdienstes katholischer Frauen München als Frauenhausträger betrifft die berufliche Existenz von Frauen, zerschlägt ein funktionierendes Netzwerk von 15 Ehrenamtlichen und verunsichert die Opfer gewalttätiger Männer, die im Frauenhaus Erding Zuflucht und Schutz suchen. Doch auch wenn man nur nüchtern nachrechnet, ist eine so weitreichende Kündigung wegen 15 000 Euro total unverhältnismäßig.

Bayerstorfer hat wohlweislich nie darüber gesprochen, um wie viel Mehrkosten es für den Landkreis tatsächlich geht. Da der Betrag so gering ist, muss es einen nicht wundern, dass er die Kündigung schnell zur dringlichen Eilentscheidung erklärt hat. Nur so konnte er den zuständigen Kreistagsausschuss umgehen. Es ist zudem nicht mehr als eine peinliche Ausrede des Landrats - die niemand ernst nehmen muss -, dass nach den Freisingern womöglich auch noch die Ebersberger aus dem Frauenhausverbund hätten aussteigen können. Ganz abgesehen davon hat es keine Logik, wegen des Rückzugs der Freisinger dem SkF in Erding zu kündigen. In Freising ist niemand auf die Idee gekommen, es sei nun zwingend, dem Träger des dortigen Frauenhauses zu kündigen und den Betrieb unbedingt neu auszuschreiben.

Das weist auf den dritten Blickwinkel, unter dem Bayerstorfers Handeln und Reden so entsetzlich ist: Der Landrat hat ein krudes Verständnis davon, in welchem Verhältnis die öffentliche Hand zu den Sozialverbänden steht. Indem er notorisch die Arbeit der Frauenhausmitarbeiterinnen als die Generierung eines "Defizits" bezeichnet, beleidigt er sie und ihr Tun. Mit seinen bizarren Vorschlägen, ein Frauenhausträger sollte zusätzliches Personal über Spenden finanzieren, der SkF möge seine Spenden im Landratsamt abliefern oder die Interventionsstelle wieder selbst bezahlen, verdreht Bayerstorfer die Zuständigkeiten: als ob der Schutz und die Hilfe für Opfer häuslicher Gewalt eine Art Privatangelegenheit der Wohlfahrtsverbände sei und der Landkreis nur großzügigerweise Geld dazugibt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: