Kommentar:Städtebauliche Dimension

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Wenn das Recht auf Parkplätze mehrheitsfähig wird, dann dürfte sich einen Verkehrsberuhigung des Grafinger Marktplatzes erledigt haben

Von Thorsten Rienth

Im Kern des Zwists um den Grafinger Weihnachtsmarkt steckt eine Gretchenfrage: Sind die Parkplätze, die im Dezember durch den Budenzauber am Marktplatz wegfallen, geschäftsschädigend für die Unternehmer? Oder fördern sie nicht gerade den Umsatz, weil ein Weihnachtsmarkt doch erst Kundschaft in die Innenstadt holt? Über die Antworten zu diskutieren ist müßig. Denn dabei geht es tief hinein in die Werbepsychologie und Makroökonomie.

Es wäre am Donnerstag Aufgabe des Grafinger Bauausschusses gewesen, die Problematik ernsthaft, tiefgründig und ergebnisoffen zu hinterfragen. Zum Beispiel, was an der dürftigen und vor allem pauschalen These der Weihnachtsmarkt-Kritiker dran ist, die Veranstaltung koste sie 30 Prozent des Dezember-Umsatzes? Lust hatte das Gremium darauf keine. Stattdessen wetterte erst die CSU gegen den Werbering. Danach warfen Stadträte reihum bestenfalls rudimentär anrecherchierte Alternativstandorte in die Runde, darunter so obskure Vorschläge wie der Stadtgarten. Der Weihnachtsmarkt würde zum Matsch-Markt.

Es ist dem Freie Wähler-Stadtrat Christian Einhellig zu verdanken, dass die Debatte wieder auf ein angemessenes Niveau gehoben wurde. Zwar sieht sein Vorschlag lediglich zwei zusätzliche freie Parkplätze am Marktplatz vor. Aber ausgerechnet diese Marginalie könnten die verkrustete Situation soweit auflösen, dass Werbering und Werbering-Kritiker jeweils mit erhobenem Gesicht aus der Nummer wieder herauskommen. Und obendrein bliebe der Markt dort, wo er allein schon dem Namen nach hingehört: Auf dem Marktplatz.

Die Dimension der Donnerstags-Sitzung geht allerdings weiter als nur bis zum Weihnachtsmarkt. Wenn im September die Ostumfahrung öffnet, beginnt in Grafing die Diskussion über die Marktplatz-Umgestaltung. Fußgänger- und radfahrerfreundlicher soll er werden, darüber waren sich sämtliche Stadtratsfraktionen bis zuletzt einig. Umso überraschender ist die Deutlichkeit, mit der sich die CSU-Fraktion für das Recht auf Parkplätze unmittelbar vor den Geschäften ausspricht. Wenn diese Haltung der großen Parteilinie folgt, rückt eine ernsthafte Marktplatzberuhigung in weite Ferne. Realpolitisch ist es jedenfalls kaum denkbar, dass sich eine wie auch immer aussehende Marktplatz-Überplanung gegen die größte Stadtratsfraktion und den mitgliederstärksten poltischen Ortsverband durchsetzen ließe. Bei einigen Gewerbetreibenden hätte die CSU dann womöglich gepunktet. Bei wem sonst noch, ist eine andere Geschichte.

© SZ vom 29.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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