Kommentar:Manche stoßen sich gesund

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Normalverdiener können sich Immobilien kaum mehr leisten. Die Politik muss deshalb noch viel mehr machen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen

Von Isabel Meixner

Die Immobilienpreise in und um München liegen längst in Bereichen, bei denen man sich ernsthaft fragt: Welcher normalverdienende Mensch soll sich das noch leisten können? Nun ist es das eine, dass junge Paare und Familien, die durchaus ein solides Einkommen haben, sich dagegen entscheiden, ein Haus in Vaterstetten oder Poing zu kaufen und lieber zur Miete wohnen bleiben. Es muss ja nicht immer gleich eigener Immobilienbesitz sein. Das andere aber ist, dass einige wenige den großen Reibach machen und sich ohne Schamgefühl gesund stoßen. In der Wolfsschlucht in Grafing, wo Häuser im Einheimischenmodell zu angeblich ach so vergünstigten Konditionen entstehen sollten, hat die günstigste Immobilie letztlich eine Dreiviertel Million gekostet.

Auf der Strecke bleiben Menschen, die das Schicksal nicht mit Geld gesegnet hat, Menschen, die als Supermarktverkäufer, Friseur oder Bauarbeiter einen genauso großen Anteil am Funktionieren der Gesellschaft haben wie andere, mehr verdienende Personen. Sie sind auf günstige oder gar Sozialwohnungen angewiesen. Und die Politik? Hat auf derartige Problemen bisher eher schlechte als rechte Antworten gefunden. Die Mietpreisbremse? Im Kern gut gemeint, aber wirkungslos. Sozialwohnungen? Sind ein Thema, werden auch gebaut, können aber nach einer gewissen Zeit aus der Bindungsfrist fallen und zu ortsüblichen Preisen weitervermietet werden.

Hinzu kommt, dass viele Gemeinden ihre Mittel, die ihnen von Gesetz wegen zur Verfügung stehen, nach wie vor nicht richtig nutzen. Sie machen mit ihrer Entscheidung, Bauland auszuweisen, den Grundstücksbesitzer erst zum reichen Mann. Sie können bei größeren Ausweisungen wie die Stadt München die Bedingungen stellen, dass 30 Prozent des Baulands für Sozialwohnungen abgetreten werden müssen. Pliening hat sich an diesem Vorgehen ein Beispiel genommen, auch Poing fordert konsequent ein Fünftel der Fläche für Einheimische und soziale Zwecke. Viele anderen Gemeinden sind da nachlässiger und vergeben Geldgeschenke auf Kosten der weniger Betuchten. Wäre man ketzerisch, würde man anfügen: kein Wunder. Schließlich kann es einer Kommune aus finanzieller Sicht nur recht sein, wenn nicht die bedürftigen Hartz-IV-Empfänger, sondern die reiche Bevölkerung herzieht. Denn sie treibt den Einkommensteueranteil der Gemeinde in die Höhe und bringt damit Geld in die Kassen.

© SZ vom 08.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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