Kommentar:Kritik ja, Nörgelei nein

Auch wenn der Kreistag keine Entscheidungsgewalt über Angelegenheiten des Landkreises hat, sollten seine Resolutionen ernst genommen werden. Zumindest, wenn sie sparsam und sinnvoll genutzt werden

Von Wieland Bögel

Da könnte ja jeder kommen, das haben wir noch nie gemacht, da sind wir nicht zuständig." Diese Trias des Beamtensprüche-Klischees war lange Zeit die Leitlinie im Landratsamt, wenn es um Resolutionen des Kreistages ging. Also um Meinungsbekundungen des Gremiums über Dinge, die man dort nicht zu entscheiden hatte. Seit einigen Jahren - genauer seit der vergangenen Landratswahl - hat sich hier etwas geändert. Seitdem werden im Kreistag Resolutionen tatsächlich inhaltlich diskutiert, anstatt sie mit Verweis auf Formalien vom Tisch zu wischen. Eine gute Entwicklung.

Denn ein Gremium wie der Kreistag muss auch jenseits seiner eigenen Zuständigkeit kein politisches Neutrum sein. Schließlich geht es bei vielen der in den Resolutionen angesprochenen Dinge um solche, die den Landkreis trotzdem betreffen, auch wenn er darüber nicht zu entscheiden hat. Seien es der Ausbau des Flughafens, der den nördlichen Landkreiskommunen mit Sicherheit mehr Lärm bringen wird. Genau wie eine Zunahme des Zugverkehrs Folge des Brennerbasistunnels sein wird. Oder sei es, dass man die Sorgen der Landkreisbürger vor genmanipulierten Pflanzen auf den Äckern ernst nimmt und sich für ein Verbot stark macht. Und wenn man vom Landkreis aus, etwa von Forstinning, bei klarem Wetter die Dampfsäule des Kernkraftwerks Isar 1 sehen kann, darf auch im Kreistag die Frage erlaubt sein, ob man sich mit dem Uraltreaktor in Sichtweite wirklich noch wohlfühlt.

Natürlich haben solche Einwände eines Landkreises formaljuristisch keinerlei Folgen - andere Folgen könnten sie aber durchaus haben. Als Missfallensbekundung an die zuständige Stelle, als Aufforderung Dinge zu ändern und Entscheidungen gegebenenfalls zu überdenken. Wenn sich genügend Landkreise mit ihren Bedenken an Land- oder Bundestag, ans Europaparlament wenden, kann dort vielleicht auch ein Umdenken geschehen.

Allerdings sollte man es mit den Resolutionen auch nicht übertreiben. Nicht alles, was missfällt, muss seinen Niederschlag in einer Kreistagsresolution finden. Natürlich, alles ist mit allem verbunden, und wenn man nur genau genug hinschaut, hat auch alles Auswirkungen auf den Landkreis, seien es Anbaumethoden für Soja in Südamerika, chinesische Kohlekraftwerke oder die australische Handelspolitik. Nur: Würde der Kreistag zu allen diesen Dingen seine Meinung kundtun, wäre das nicht nur viel Arbeit, sondern es ginge dem Gremium irgendwann wie dem Hirten im Märchen, der immer "Wolf" ruft: Man wird nicht mehr ernst genommen. Daher sollte die Resolution ein sparsam genutztes Instrument für Ausnahmefälle bleiben. Für Dauergenörgel an der Gesamtsituation eignet es sich hingegen nicht.

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