Kommentar:Hilferuf eines Hilfsbereiten

Landrat Robert Niedergesäß ist gewiss keiner der Schreihälse, die die Flüchtlingsdebatte populistisch anheizen. Dennoch droht er nun damit, Busse mit Flüchtlingen nach München zurückzuschicken - vermutlich, weil er sich anders nicht mehr zu helfen weiß

Von Christian Endt

Wenn es so weiter geht, muss bald auch die Deutsche Post eine Obergrenze einführen: für Briefe zur Flüchtlingspolitik. Bürger schreiben an Bürgermeister, Bürgermeister an Landräte, Landräte an Ministerpräsidenten und Ministerpräsidenten an die Bundeskanzlerin. Auch Ebersbergs Landrat Robert Niedergesäß hat sich mit einem vierseitigen Schreiben an Horst Seehofer gewandt. In Zeiten, wo andere Landräte Busse voller Flüchtlinge vors Kanzleramt karren, gehen ein paar Blatt Papier in der allgemeinen Hysterie leicht unter. Trotzdem sollte man Niedergesäß' Hilferuf ernst nehmen. Das liegt vor allem am Verfasser.

Der Landrat gehört nicht zu den Schreihälsen und Berufspopulisten, deren Gebrüll die Flüchtlingsdebatte zunehmend dominiert. In unzähligen Auftritten hat Niedergesäß stets einen besonnenen Ton angeschlagen. Er hat von Hilfsbereitschaft und menschlicher Pflicht nicht nur geredet, sondern auch entsprechend gehandelt. Niedergesäß ist aber auch verantwortlich für die Mitarbeiter seiner Verwaltung; die arbeiten seit Monaten an der Leistungsgrenze. Und er ist gewählter Vertreter der Bürger des Landkreises. Die nehmen ohne großes Murren hin, dass inzwischen sechs Turnhallen für den Schul- und Vereinssport ausfallen. Viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich für Asylbewerber. In einer Notsituation verweigert man keine Hilfe.

Den Landrat treibt aber die Sorge, dass aus dem Ausnahme- ein Dauerzustand wird, dass die Zahlen weiter steigen und er weitere Notlager einrichten muss. Niedergesäß droht daher, die Flüchtlingsbusse schon bald zwar nicht nach Berlin, aber zumindest zurück nach München zu schicken. Schwer vorstellbar, dass er das wirklich umsetzt. Niedergesäß kann nicht wollen, dass Menschen wie Schachfiguren hin- und hergeschoben werden. Aber anders weiß er sich offenbar nicht mehr zu helfen.

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