Kommentar:Guter Raubbau, schlechter Raubbau

Bisher wirkte die Haltung der Freien Wähler zur Umgehungsstaße bestenfalls kurios. Inzwischen allerdings kann man sie nur noch scheinheilig nennen

Von Wieland Bögel

Der Nutzen oder Schaden mancher Dinge lässt sich kaum vorhersagen. Ein Beispiel dafür ist die geplante Umgehungsstraße für Weißenfeld und Parsdorf. Für die einen ist sie die Lösung sämtlicher Verkehrsprobleme in den Ortschaften, für die anderen dagegen ein flächenfressendes Monster mit wenig bis gar keinem Nutzwert. Dass zwischen diesen Extrempositionen die Annäherung schwer fällt, ist verständlich, ebenso, dass Vertreter beider Seiten kaum eine Gelegenheit auslassen, ihre Sichtweise den Verfechtern der anderen hinzureiben. Besonders die Freien Wähler haben sich den Kampf gegen die Umfahrung auf die Fahnen geschrieben und führen ihn hartnäckig - einschließlich ihres Bürgermeisters Georg Reitsberger, der bei dem Thema gerne mal gegen die eigene Verwaltung stimmt, sogar in Haushaltsfragen. Bis vor wenigen Wochen war dies bestenfalls kurios - inzwischen ist das Verhalten der Freien Wähler allerdings schönste Scheinheiligkeit.

Denn vor ziemlich genau zwei Monaten stimmten die selbsternannten Gralshüter der Versiegelungsfreiheit für eine wahre Beton- und Verkehrsorgie: Ein Logistikzentrum bei Parsdorf, wofür nicht nur mehrere Hektar Fläche zubetoniert werden müssten, sondern das auch erheblich mehr Verkehr, vor allem schwere Lastwagen, mit sich bringt. Dass diese dann alle über die Autobahn zu- und abfahren, kann man glauben, muss man aber nicht. Und selbst wenn, würde durch die Schwerlastlawine an der Anschlussstelle Parsdorf wohl eine Verdrängung ausgelöst. Andere Verkehrsteilnehmer nehmen dann halt die Schleichwege über die Ortschaften. Die aber trotzdem keine Umgehungsstraße brauchen, finden Reitsberger und seine Freien Wähler. Zumindest nicht die, welche in jahre-, wenn nicht jahrzehntelanger Prüfung und Planung ermittelt, von der Gemeinderatsmehrheit beschlossen wurde und auch in Hinblick auf die Finanzen als einzig umsetzbare gilt. Denn die braucht leider zu viel Fläche - gut, nicht so viel wie ein Logistikzentrum, aber dafür bringt sie ja auch kein Geld.

Bei den Freien Wählern gibt es nämlich zwei Arten von Raubbau an der Natur: Die gute wird mit Steuereinnahmen belohnt und die böse, das ist alles andere - auch das, was eigentlich nötig wäre, um die Folgen der ersteren etwas abzumildern, etwa für die Leute, die an den Zufahrtsstraßen der Gewerbegebiete wohnen. So ein Verhalten nennt man gemeinhin Opportunismus, und zu beurteilen, ob das gut oder schlecht ist, fällt eigentlich gar nicht schwer.

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