Kommentar:Goldesel dringend gesucht

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Die Ankündigung, die Großmarkthalle nach Parsdorf zu verlagern, war nicht viel mehr als ein Bluff. Für die Gemeinde eröffnet die Diskussion aber neue Möglichkeiten

Von Wieland Bögel

Einen schönen Bluff haben sie abgeliefert, die Münchner Fruchthändler und die Gemeinde Vaterstetten. Über Wochen hielten sie an ihrer Geschichte fest, dass die einen auf dem Gebiet der anderen ihre neue Großmarkthalle errichten wollen. Sehr glaubwürdig war dies zwar nie, dennoch wurden beide Seiten nicht müde, auf die Ernsthaftigkeit ihrer Bemühungen zu verweisen. Ernsthaft bemüht haben sich Gemeinde und Händler indes tatsächlich, wenn auch nicht um eine Parsdorfer Großmarkthalle.

Den einen ging es darum, gegenüber der Stadt München ein gewisses Drohpotenzial aufzubauen, um die Neubaupläne in die für sie richtige Richtung zu lenken. Und auch die Gemeinde Vaterstetten hat sich bemüht. Darum nämlich, ein lange ruhendes Projekt endlich zu entwickeln: das Gewerbegebiet nördlich der Autobahn 94. Dieses ist nun wieder im Gespräch sowohl im Gemeinderat als auch bei den Bürgern - und hat bereits den Vorteil, das kleinere Übel zu sein. Schließlich wäre beinahe die Großmarkthalle gekommen, mit hunderten Lastwagenfahrten Tag und Nacht in alle Richtungen. Da kann alles, was künftig dort entsteht, nur besser sein. Soweit der erste Trumpf, den Vaterstetten auf den Tisch legt, das Spiel um den großen Pot hat allerdings noch nicht einmal begonnen. Dieses wird die Gemeinde mit dem Eigentümer der Grundstücke auskarteln müssen. Die Erfahrungen aus Parsdorf stimmen da nicht gerade zuversichtlich, dort hatte sich die Gemeinde für das "Rundum-sorglos-Paket" entschieden, in welchem der Investor zwar die Arbeit macht - aber eben zu seinem eigenen Vorteil. Auch wenn die Gewerbesteuereinnahmen wohl nicht ganz so desaströs ausfallen, wie es noch vor einiger Zeit schien, ein echter Goldesel wird Parsdorf Nordost wohl nicht mehr werden.

Aber genau einen solchen bräuchte Vaterstetten dringend. Die Gemeinde hat einen gewaltigen Investitionsstau abzuarbeiten: angefangen von den Schulen über Rathaus und Bücherei bis hin zu einem Bürgersaal. Nicht zu vergessen der Bau einer Umgehungsstraße für Parsdorf, die man auch wegen der Ausweisung des jüngsten Gewerbegebietes braucht. Das nächste seiner Art muss für die Gemeinde daher deutlich profitabler sein. Ein erster guter Ansatz ist der nun ins Gespräch gebrachte Kriterienkatalog für Gewerbeansiedlungen. Aber eben nur ein erster. Soll das neue Gewerbegebiet erfolgreich sein, ist das weder mit einer Rundum-sorglos-Einstellung zu erreichen noch mit ein paar Bluffs, sondern erfordert harte Arbeit von allen Beteiligten.

© SZ vom 31.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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