Kommentar:Gleiches Recht für alle

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Datenschützer sollten sich vielleicht an den Grundsatz der Demokratie erinnern, der da lautet "Gleiches Recht für alle". Es kann nicht sein, dass eine Kommune die Protokolle öffentlicher Sitzungen veröffentlichen darf und die andere nicht - zumal sogar die Betroffenen ausdrücklich für mehr Öffentlichkeit sind

Von Wieland Bögel

Wie viel Öffentlichkeit verträgt die Demokratie? Eine eindeutige Antwort darauf ist seit Erfindung der Demokratie nicht gefunden, eher ist das Problem durch den technischen Fortschritt noch komplizierter geworden. Dies mussten die Ebersberger Stadträte vor eineinhalb Jahren erfahren, als der Bayerische Datenschutzbeauftragte ein Veröffentlichungsverbot für Stadtratsprotokolle verhängte. Zumindest, wenn dies im Internet geschieht. In Papierform kann man die Niederschriften weiterhin im Rathaus einsehen, auch bleibt es jedem unbenommen, sich von der öffentlich stattfindenden Sitzung selbst ein Protokoll anzufertigen. Dass die Stadträte gegen diese Auffassung von Datenschutz nun rebellieren, ist verständlich und richtig.

Im Internet ist es mit dem Datenschutz ja bekanntlich nicht zum Allerbesten bestellt. Staatliche Stellen und Konzerne geben zwar vor, die Privatsphäre so gut wie möglich vor unangemessenen Eingriffen zu schützen. Natürlich aber nur, wenn es weder der Sicherheit - dem sich alles unterzuordnenden Supergrundrecht, wie es einmal ein Bundesinnenminister formulierte - zuwider läuft, noch der Gewinnmaximierung. Dann ist Datenschutz entweder "Täterschutz" oder ein veraltetes Relikt aus analogen Zeiten, und wer es einfordert, ist einfach nur von gestern. Ganz anders sieht es aus, wenn es darum geht, dass Informationen von oben nach unten weitergegeben werden sollen, etwa über das Handeln staatlicher Stellen oder von Unternehmen an die Bürger. Da greift der Datenschutz sofort und hart durch und wird sogar selbst aktiv, um Datenschutzsünder abzumahnen. So wie es eben in Ebersberg geschehen ist. Dort wurden die staatlichen Datenschützer nicht etwa aktiv, weil sich jemand über zu viel Information auf der Website der Stadt beschwerte. Sondern man sei zufällig darauf aufmerksam geworden, hieß es damals. Offenbar hat man also bei der Datenschutzstelle nichts gegen Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung oder die Machenschaften datengieriger Konzerne, darum bleibt auch genügend Zeit, kommunale Homepages nach nicht ordnungsgemäßen Veröffentlichungen zu durchforsten.

Zumindest einige. Denn nicht aufmerksam wurde man offenbar auf zahlreiche andere Gemeinden - auch im Landkreis - die sowohl längere Sitzungsniederschriften als auch die Namen der Gremienmitglieder veröffentlichen. Wie es im übrigen auch der Kreistag seit Jahren unbeanstandet tut. Darum sollte man sich vielleicht an den Grundsatz der Demokratie erinnern, der da lautet "Gleiches Recht für alle". Es kann nicht sein, dass eine Kommune veröffentlichen darf und die andere nicht - zumal sogar die Betroffenen ausdrücklich für mehr Öffentlichkeit sind.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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