Kommentar:Gelungener Anstoß

Die Kommunen im Landkreis sollten sich ein Beispiel an der Haltung Zornedings beim Thema Barrierefreiheit nehmen. Es zeigt: Behinderung muss keine Verhinderung sein

Von Viktoria Spinrad

Es waren schöne Momente, als eine Frau im Rollstuhl und ein Mann, der gehörlos ist, auf der Bürgerversammlung in Zorneding zu Wort kamen. Für den Mann und alle sieben weiteren Gehörlose der Gemeinde übersetzten zwei Gebärdendolmetscherinnen; auf einem Bildschirm erschienen die gesagten Worte, übersetzt von zwei Schriftdolmetschern. Die Bürgerversammlung selber fand zwecks Barrierefreiheit erstmals im Feuerwehrhaus statt; so hatte es der Zornedinger Gemeinderat in seiner Juli-Sitzung beschlossen - ein wichtiger und richtiger Schritt.

Den Anstoß für den Ortswechsel hatte der Seniorenbeirat gegeben, die SPD-Fraktion ergänzte dies mit dem Antrag für die Dolmetscher. Seit einem Jahr ist Gregor Schlicksbier als Mitglied des Seniorenrats in der Rolle des Behinderenbeauftragten; seitdem sind nun auch Teile des Internetauftritts der Gemeinde in leichter Sprache verfasst und damit nicht nur für Menschen mit Behinderungen, sondern auch für jene, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, besser zugänglich.

Am Freitag machten sich Gemeindevertreter auf, den Ort selbst auf seine Barrierefreiheit hin zu überprüfen. Es wurde also einiges ins Rollen gebracht, die Maßnahmen und Bemühungen katapultieren Zorneding im Landkreis Ebersberg in eine Vorreiterrolle. Jahrzehnte habe man darauf gewartet, dass Behinderte teilhaben können, sagte Schlicksbier nach der Veranstaltung. Endlich trauten sich die Menschen, sich zu zeigen. Sodass man sich fragt: Wieso eigentlich erst jetzt?

Eine Frage, die auch in der Juli-Sitzung des Gemeinderats aufgekommen war, wo damals niemand so richtig eine Antwort wusste. Schlussendlich stimmten alle fraktionsübergreifend für das Maßnahmenpaket für mehr Barrierefreiheit, eine sinnvolle Investition in die Gleichberechtigung, für die auch nur ein einzelner Zornedinger im Rollstuhl oder ohne Gehör längst hätte Anlass sein sollen - denn wer einen ausschließt, schließt alle aus.

Nun ist es an den anderen Gemeinden im Landkreis, dem Vorbild Zornedings zu folgen und ebenfalls in Maßnahmen zur Barrierefreiheit zu investieren. Das ist nicht nur eine Frage der Humanität, oder gar ein Luxus, den sich ein Ort leisten sollte, sondern schlichte Umsetzung von politischen Richtlinien zur Gleichstellung. Die Beteiligung des Landkreises an der Wheelmap, einer Online-Karte, die die Barrierefreiheit von Einrichtungen anzeigt, ist ein wichtiger Anstoß. Die vielen grauen (unbekannt ob barrierefrei) und roten (nicht barrierefrei) Markierungen geben den Weg vor, denn: Behinderungen müssen und dürfen keine Verhinderungen sein.

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