Kommentar:Es darf noch deutlich mehr sein

Der geplante Radweg nach Grafing-Bahnhof ist eine sinnvolle Sache, andere Projekte für Fußgänger und Radler kommen leider nicht voran

Von Thorsten Rienth

Es gibt einen schönen Aufkleber, auf dessen linker Seite ein Fahrrad skizziert ist, rechts ein Auto. Darunter steht sinngemäß: Das eine Gefährt verbrenne Geld und mache fett. Das andere verbrenne Fett und spare Geld. Neben dieser gesundheitlich-ökonomischen Perspektive gibt es noch eine städtebauliche Perspektive auf den Sticker. Wo Leute radeln, verstopfen sie in ihren Autos den Marktplatz nicht. Im Falle des "Gindlkofener Wegs", dessen Ausbau Grafing beschlossen hat, kommt sogar noch eine nachbarschaftliche Perspektive hinzu: Die Einwohner von Grafing Bahnhof haben weniger Grund zu fluchen, weil Pendler ihnen hoffentlich seltener Haustüren und Garageneinfahrten zuparken. Soweit zumindest die Theorie.

Damit sich solche Szenarien in spürbarer Größenordnung einstellen, also eine bemerkbare Anzahl Grafinger Pendler statt des Autos das Fahrrad unter den Hintern nimmt, braucht es die passende Infrastruktur. Eine der wenigen Gemeinsamkeiten von Radlwegen und Straßen jedenfalls ist: Sie ziehen Verkehr an, je attraktiver, desto mehr. Insofern macht Grafing mit dem Ausbau seiner Fahrrad-Achse nach Grafing Bahnhof zweifellos das Richtige. Mehr als 300 Fahrradständer, von denen gefühlt selbst im Sommer die Hälfte leer steht, warten dort auf Belegung.

Dennoch sollten die Grafinger den Beschluss vom Dienstag nicht überinterpretieren. Die Perspektive von Stadtrat und Bauausschuss ist nach wie vor eine aus der Windschutzscheibe: Für die zum Auftakt der Wahlperiode parteiübergreifend angekündigten fußgänger- und fahrradfreundlichen Marktplatzumgestaltung steht noch nicht einmal eine Agenda. Von einem Stadtbus, selbst wenn der nur als Schnellzugzubringer im Berufsverkehr unterwegs wäre, ist selbst bei den Grafinger Grünen nicht einmal mehr die Rede. Und von Gremien, die im vergangenen Jahr noch den Weihnachtsmarkt für ein paar Marktplatzparkplätze opferten, ist ein Perspektivenwechsel bei der lokalen Mobilität leider auch so schnell nicht zu erwarten.

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