Kommentar:Er ist wieder da

Femdenhass war nie wirklich weg. Er war nur auf Stand-by, wie sich auch bei der Informationsveranstaltung im Anzinger Forsthof zu einer neuen Flüchtlingsunterkunft zeigt

Von Wieland Bögel

Beleidigungen, Drohungen, öffentliche Anfeindungen. Damit muss rechnen, wer sich für Flüchtlinge einsetzt oder es einfach nur wagt, sich gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit zu stellen. Diese Erfahrung macht man im Landratsamt und den Rathäusern, wo Droh- und Schmähbriefe, wie sie nun zum Rücktritt des Zornedinger Pfarrers führten, seit Wochen in den Posteingängen landen. Diese Erfahrung machte die Vorsitzende des Anzinger Helferkreis, die sich bei einer Veranstaltung vom Publikum anmaulen lassen musste. Plötzlich scheint es an allen Ecken sichtbar: offen zur Schau gestellte Abneigung, sogar Hass gegen alles Fremde. Viele stellen sich die Frage, woher dieser Hass plötzlich kommt. Die Antwort lautet: er war nie weg, nur auf Stand-by.

Es ist noch nicht so lange her, da waren rassistische Ressentiments in weiten Teilen der Gesellschaft akzeptiert. Da galt in der Union und besonders der CSU der Leitspruch: "Rechts von uns ist nur die Wand." Und die Unionschristen waren nicht zimperlich, der rechten Konkurrenz das Wasser abzugraben: Etwa als ein bayerischer Innenminister vor der "durchrassten Gesellschaft" warnte - was er später zwar so nicht gemeint haben will, aber die Worte waren in der Welt und wurden verstanden. Ein anderer Unionspolitiker wollte lieber "Kinder statt Inder", ein Slogan den sich dann die Republikaner auf die Plakate drucken ließen. Ein wieder anderer ließ seine Wahlkämpfer "Unterschriften gegen die Ausländer" sammeln, offiziell ging es um die doppelte Staatsbürgerschaft - und wurde damit Ministerpräsident eines Landes, in dem die AfD gerade bei den Kommunalwahlen abgeräumt hat.

Für einige Jahre, so schien es jedenfalls, wollte dann niemand mehr über Ausländer herziehen, zumindest niemand, der Wert auf seinen guten Ruf legte. Natürlich gab es die Ressentiments weiterhin, in kleinerer Runde, sei es im Freundeskreis, am Stammtisch oder im Mitteilungsblatt eines CSU-Ortsverbandes. Gleichzeitig war es aber Konsens, in der Öffentlichkeit solche Äußerungen zu unterlassen, sie galten als unfein, etwa so wie öffentliches Rülpsen.

Dass nun wieder allüberall öffentlich nach Herzenslust rassistisch gerülpst wird, hat mehrere Gründe. So haben Rechtspopulisten und Neofaschisten jene Lücke gefüllt, welche die Union offiziell nicht mehr bedienen wollte. Richtig profitabel an der Urne wurde das mit der Flüchtlingskrise, wer schon immer Überfremdungsängste hegte, sieht sich nun bestätigt. Genau wie von der Tatsache, dass auch einige in CDU und CSU aus Angst vor Stimmenverlust wieder weiter nach rechts rücken, die Ressentiments also wieder ein Stück mehrheitsfähiger werden. Und nicht zuletzt wirkt das Internet, besonders die sogenannten sozialen Medien, wie ein Verstärker. Dank deren Algorithmen gesellt sich gleich zu gleich, wer gegen Ausländer hetzt, kommt mit anderen Hetzern in Kontakt - und kann sich im eigenen Hass bestätigt fühlen. Das Netz hat den Menschen nur mehr Informationen gegeben, klüger hat es sie nicht gemacht, sagte der kürzlich verstorbene Internet-Pionier Ray Tomlinson, man möchte anfügen: Manche macht es sogar noch dümmer.

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