Kommentar:Eine Frage des Charakters

Dass sich die Gemeinderäte nicht auf die Zukunft des Geltinger Schulhauses einigen können, kann auch ein Vorteil sein - zumindest für das Ortsbild

Von Alexandra Leuthner

Irgendwie kommt dem interessierten Plieninger die Sache bekannt vor. Da steht ein altes Gebäude, an dem Erinnerungen hängen und das ortsprägenden Charakter hat - und nun soll entschieden werden, was damit passiert. Abriss oder Renovierung? Es geht um die alte Schule in Gelting. Es ist noch nicht lange her, da ging es um die Landshamer Brennerei. Nach dem Auslaufen des Branntweinmonopols rissen sie die Brennereigenossen ab und verkauften das Grundstück an die Gemeinde. Die verhinderte eine überdimensionierte Wohnbebauung an der prägnanten Stelle und errichtete den neuen Dorfplatz.

SPD und Alternative für Pliening hatten damals Unterschriften für den Erhalt des imposanten Ziegelbauwerks gesammelt. Der Vorsitzende des Heimatvereins, Stefan Seizl, zugleich Sprecher der Alternative, hatte sich vehement dafür eingesetzt. Doch mit den Gemeinderäten des Neuen Forums und der CSU - in deren Reihen auch der Genossenschaftsvorsitzende zu finden war - führte kein Weg zu einer Renovierung: Zu teuer, zu unsicher, zu alte Mauern, so die Argumente.

Eingedenk dieser Geschichte, reibt man sich nun etwas verwundert die Augen. Die gesamte CSU, allen voran der nicht aus dem Ort stammende Bürgermeister, will die alte Schule erhalten, argumentiert mit Kulturgut und Ortsidentität, sowie einer viel zu hohen Verdichtung im Falle eines Neubaus. Vor wenigen Jahren noch die Argumente von SPD und Alternative - doch diese beiden Gruppierungen stimmten nun mehrheitlich gegen die Tradition und für den Neubau. Von einer Entscheidung "Herz gegen Kopf" hatte Bürgermeister Frick gesprochen. Der Kopf findet für beide Optionen Argumente: Dringend benötigte Wohnungen, relativ sichere Kosten und staatliche Zuschüsse bei einem Neubau. Eine Renovierung dagegen käme billiger, ginge schneller vonstatten und die Theaterbagasch würde ihre Heimstatt behalten.

Was aber das Herz angeht, muss gesagt werden: Dass beide Optionen im Gemeinderat keine Mehrheit gefunden haben, könnte eine Riesenchance sein. Wohnungen sind dringend nötig, das ist richtig, aber Pliening hat bereits beschlossen, hierfür an anderer Stelle aktiv zu werden. Und auch hinter der alten Schule bestünde dafür noch die Möglichkeit. Reißt man aber das alte Gebäude ab, so wie den Greimelwirt, den Neuwirt, die Brennerei, verschwindet schon wieder ein Stück Ortsidentität, schon wieder ein Stück Charakter, wird Pliening schon wieder ein bisschen mehr zu einem Straßendorf, in dem nur die Geschwindigkeitsbeschränkung durchfahrende Autofahrer dazu bringt, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Manch einer im Gemeinderat hat das offenbar verstanden.

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