Kommentar:Die Pöringer ärgern sich zu früh

Dass die Nachbarn das geplanten Wohngebiet hinterfragen, ist verständlich. Einige der Befürchtungen sind allerdings realitätsfremd und hetzerisch.

Kommentar von Viktoria Spinrad

Dass bei einem Großprojekt wie den Wohnquartieren in Pöring Einwände kommen würden, war zu erwarten; es steht den Menschen zu, die Dinge zu hinterfragen. Man könnte sogar sagen: Es ist löblich, dass sich die Bürger interessieren, dass sie einen Antrag in der Bürgerversammlung stellen, um das Dorfbild mitzugestalten. Nun liegt dem Zornedinger Gemeinderat ein Sechs-Punkte-Plan vor - Vorschläge, das Areal anders zu gestalten als derzeit geplant. Bereits jetzt schwebt über der Abstimmung des Gemeinderats das Damoklesschwert eines Bürgerentscheids. Man sollte dabei aber bedenken, dass das Verfahren noch ganz am Anfang ist, der Bebauungsplan noch gar nicht öffentlich ausliegt. Und so ist das Ganze, bei all dem Engagement, auch ein ziemlicher Frühschuss.

Und zwar ein gewaltiger. Um Anhänger über die direkte Nachbarschaft hinaus zu gewinnen, gibt es seit kurzem eine Facebook-Seite, wo die Wünsche nach mehr Infrastruktur geäußert werden. So ein Schritt kann eine gelungene Anregung sein, etwa um berechtigte Bedenken der Pöringer wie nach mehr Kita-Plätzen zu bündeln, um im gegenseitigen Austausch zu stehen. Leider verzerrt die Facebookseite stattdessen die Pläne der Gemeinde ins Groteske: Die Veröffentlichung eines heruntergekommenen Wohnblocks mit der Überschrift "In the ghetto?" ist nicht nur hetzerisch, sondern auch realitätsfern.

Denn: Wer sich den Bebauungsplan anschaut, sieht das Gegenteil eines sozialen Brennpunkts in der Mache. Statt der grauen Tristesse, die auf Facebook vermittelt wird, sind von Bäumen eingesäumte Quartiere geplant, die verhältnismäßig eher an grüne Oasen als an Ostblock-Flair erinnern. Auch ein Bewegungspark und ein Kinderspielplatz sollen entstehen; die Wohnhäuser sind verspielt angeordnet.

All das sind Details, von denen die Anwohner angesichts der frühen Planungsphase nichts wissen können; und so ist die ganze Aufregung zumindest zum Teil auch ein Produkt von zu wenig Informationen. Nun liegt es auch an der Gemeinde, einen Dialog herzustellen, statt zu mauern. Jetzt ist eine Transparenzoffensive gefragt, um die Bürger auch abzuholen: Bestenfalls mit einer Informationsveranstaltung, die aufzeigt, wie die verschiedenen Infrastrukturprojekte ineinander greifen sollen. Am Ende bleibt dann vielleicht noch die Angst vor mehr Verkehr, weniger Ruhe, eben davor, mit 500 neuen Nachbarn an Lebensqualität einzubüßen. Eine Realität, mit die sich die Pöringer inmitten des Münchner Speckgürtels aber werden anfreunden müssen.

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