Lernentwicklungsgespräch:Eine Bereicherung für die Kinder

Die Sorge, dass das Lernentwicklungsgespräch zum Schulhalbjahr die Schüler überfordert, ist unbegründet. Es zeigt ihnen vielmehr, dass ihre Meinung gefragt ist.

Von Anja Blum

Die menschliche Sprache ist etwas wahrlich Wunderbares. Doch manchmal führt sie auch gehörig in die Irre, vor allem, wenn man sich im oft gescholtenen Dschungel der deutschen Bürokratie befindet. Ein schönes Beispiel dafür treibt gerade wieder Hunderte von Eltern um: das Lernentwicklungsgespräch zum Halbjahr samt Zielvereinbarungen und Dokumentationsbogen, der den Kompetenzerwartungen des neuen Lehrplans entspricht. Diesem Prozedere müssen sich immer mehr Grundschüler im Landkreis stellen.

In unbedarften Ohren klingt das alles freilich nach Assessment-Center oder zumindest einem intensiven Mitarbeitergespräch - und das schon bei Sechsjährigen? Und so schürt die Sprache die Sorge, dass Kinder in diesem Alter überfordert sein könnten, wenn sie ihre eigenen Leistungen beurteilen und ihre Ansichten im Gespräch mit dem Lehrer vertreten sollen.

Die Sorge ist unbegründet

Eine Sorge, die verständlich ist, aber in den meisten Fällen wohl völlig unbegründet. Zwar ist ein solcher Dialog mit dem Lehrer durchaus eine Herausforderung für den einzelnen Schüler. Doch eine, an der er wachsen kann und wird. Der Fragebogen ist in relativ verständliche Worte gefasst und - mit ein wenig elterlicher Hilfe - selbst von einem Erstklässler gut zu verstehen. Und auch zu einer gewissen Reflexion, zur Benennung der eigenen Stärken und Schwächen, sind Kinder in diesem Alter in der Regel durchaus fähig. Zumal auch eine Fehleinschätzung absolut kein Drama ist - kann der Pädagogen daran doch erkennen, welcher seiner Schützlinge sich vielleicht eher zu wenig zutraut.

Allerdings ist bei dieser Form des Zwischenzeugnisses von Seiten der Eltern ein gewisses Vertrauen in den Lehrer gefragt: dass es ihm nicht um scharfe Kritik, um das Herausarbeiten von Mängeln geht, sondern um ein positives Feedback. Dass er dem Schüler vor allem vor Augen führt, was er schon alles kann, welche Fortschritte er gemacht hat, ihm eben seine Lernentwicklung aufzeigt. Und die Zielvereinbarungen? Dienen dazu, das Augenmerk des Schülers auf seine Defizite zu lenken. Das mag bei dem einen das Schönschreiben sein, beim anderen das Rechnen oder Lesen. Ein Weltuntergang ist es selten.

Die Meinung der Schüler ist gefragt

Wird ein solches Gespräch also im richtigen Geist geführt, so vermittelt es dem Schüler in erster Linie Wertschätzung: Seine Meinung ist gefragt. Und dann kann es langfristig eine Wirkung entfalten, wie sie ein klassisches, unpersönliches Zeugnis mit seinen für Kinder unverständlichen Formulierungen wohl nur schwer erreicht: ein tiefes Bewusstsein für die eigenen Kompetenzen und eine intensivere Beziehung zum Lehrenden.

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