Kommentar:Bequemlichkeit hat Vorrang

Es wäre so leicht, etwas für den Schutz von brütenden Vögeln zu tun. Aber zu viele scheint das einfach nicht zu interessieren

Von Jessica Morof

Immer auf die Kleinen, heißt eine Redensart, die durchaus gerne ironisch verwendet wird. Beim Naturschutz aber kann sie meist ernst genommen werden. Denn da trifft es häufig tatsächlich die kleinen Lebewesen, die sich nicht wehren können. In diesem Fall: brütende Vögel und ihre Jungen. Dabei bräuchten gerade sie den Schutz der Menschen. Immerhin steht beinahe die Hälfte aller Brutvögel in Deutschland auf der Roten Liste gefährdeter Arten; und auch die Vorwarnliste ist lang. Die Gründe? Meist von Menschenhand gemacht: einseitige Landwirtschaft, Pestizide, unruhige Lebensräume, Zerstörung der Brutstätten.

Jedes Jahr melden besorgte Bürger radikale Heckenschnitte im ganzen Landkreis, obwohl die in der Hauptbrutzeit von März bis September strikt verboten sind. Doch "Naturschutz hin oder her" scheinen sich Hobbygärtner ebenso wie Gemeinden und Behörden oft zu denken - und stutzen Brutstätten wie Hecken und Büsche trotzdem zusammen. Dem einen ist es in den übrig bleibenden Monaten zu kalt. Der andere nutzt gerne die Gelegenheit, wenn eine Bahn, die ohnehin nicht allzu häufig fährt, gerade einmal ganz stillsteht. Praktisch, bequem und günstig scheinen dann die wichtigeren Handlungsimpulse zu sein.

Dabei sei der Heckenschnitt oft gar nicht so dringend, sagt auch Max Finster von der Unteren Naturschutzbehörde: Unordentlich aussehende Hecken, ein überwucherndes Gebüsch, Äste, die über den Fußgängerweg ragen - das alles sind richtige Gründe, aber nicht unbedingt dringende für einen eiligen Schnitt im März, April oder Mai. Ganz leicht ließen sich die Arbeiten später oder früher im Jahr erledigen. Ohne nennenswerte Auswirkungen.

Sicher: Behörden wie die Stadtgärtnerei oder das Bauamt sehen sich vermutlich ständig mit Beschwerden konfrontiert, wenn sie einfach ihre Arbeit machen; und die ewigen Nörgler machen den Mitarbeitern das Leben auch nicht immer leicht. Dennoch haben sie in einigen Fällen eben auch recht, wenn sie für den Schutz derer eintreten, die sich nicht selbst helfen können. Bleibt also die Frage, ob es den Menschen nur nicht bewusst oder schlichtweg egal ist. Die Hoffnung liegt auf der Unwissenheit, denn der kann Abhilfe geschaffen werden. Doch gegen Ignoranz und fehlendes Mitleid ist leider noch kein Kraut gewachsen - oder es wurde im Abholzwahn einfach mit weggeschnitten.

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