Kommentar:Arroganz der Macht

Mitten in der Sitzung zum Lärmschutz an der Grafinger Umgehung kommen wichtige neue Informationen herein. Im Stadtrat interessiert das freilich niemanden

Von Thorsten Rienth

Ausgerechnet mitten im Tagesordnungspunkt zum Lärmschutz an der Ostumfahrung blinkten im Grafinger Bauausschuss die Postfächer. Eine E-Mail von Robert Niedergesäß war der Grund. Erst erläuterte der Landrat die Gesetzeslage. Dann schlüsselte er im Detail die Haltung der Unteren Verkehrsbehörde zu Lärmschutz und Geschwindigkeitsbegrenzungen auf. Schließlich berichtete er gar von einem gänzlich neuen Vorstoß an die Adresse der Regierungspräsidentin. Für die gerade laufende Debatte waren das nicht nur ganz zentrale Inhalte. Sie mischten auch die Karten neu.

Dennoch hielt es weder Bürgermeistserin Angelika Obermayr (Grüne) für angemessen, die Sitzung zur Lektüre der Nachricht zu unterbrechen, noch kam irgendwer aus dem Stadtrat auf die Idee, selbiges zu beantragen, obwohl etliche offenbar auf die Mail aufmerksam geworden waren und sogar Passagen daraus zitierten. Stattdessen zog man - auffällig unauffällig auf Smartphones und Tablets scrollend - gnadenlos den Kurs der Beschlussvorlage durch. Deutlicher hätten die Stadträte ihr Desinteresse an einer ernsthaften Debatte nicht zeigen können: Gemeinsam klammerte man sich an die vorabgestimmte Taktik, den Geist des freiwilligen Lärmschutzes wieder zurück in die Flasche zu pressen. Dann wetterte man gegen "die Behörden" und "die Gesetze" und strapazierte das Sprachbild von der wehrlosen Kleinstadt und dem bösen Staate.

Tatsächlich ist die rechtliche Grundlage für Lärmschutzentscheidungen aus Normalbürger-Perspektive wenig nachvollziehbar. In Teilen scheint sie gar abwegig. CSU-Stadträtin Susanne Linhart fasste die Sonderbarkeiten in einem treffendem Redebeitragssolo zusammen. Wohlgemerkt: Linharts Ortsverbandskollege Thomas Huber sitzt im Landtag. Andreas Lenz, der praktisch aus der Nachbarschaft stammt, im Bundestag. Und ihre alte politische Weggefährtin Angelika Niebler ist im Europaparlament alles andere als eine kleine Nummer. Die Grafinger CSU könnte also in Sachen Lärmschutzgesetzgebung problemlos weit oben insistieren. Dies zu tun wäre auch im Eigeninteresse. Andernfalls bliebe von Linharts Solo nur noch billiges Gepoltere in Erinnerung.

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