Kommentar:Argumente gegen Parolen

Nach den Protesten gegen die Asylunterkunft in Grafing hätte der Stadtrat gut an einer fraktionsübergreifenden Resolution getan. Doch die bleibt leider aus

Von Thorsten Rienth

Die Sitzung des Grafinger Stadtrats wäre eine gute Gelegenheit gewesen, Klartext zu reden: Über die Enttäuschung zum Beispiel, dass es aufgebrachten Anwohnern gelang, sogar die relativ kleine Flüchtlingsunterkunft in der Mühlenstraße zu verhindern. Genauso angemessen wäre eine selbstkritische Reflexion gewesen: Ob es in den vergangenen Monaten wirklich richtig war, die entscheidenden Debatten zu möglichen Grafinger Flüchtlingsunterkünften unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu führen. Zahlreiche, in den Nachbarschaften geäußerte Sorgen hätten sich wohl schnell als Vorurteile entpuppt. Eine fraktionsübergreifende Resolution wäre ein gutes - mehr noch ein nötiges - Zeichen der Ernsthaftigkeit gewesen. Zwischenzeitlich einmal angedacht, scheiterte sie an parteipolitischen Egos. Allen voran an denen von CSU und Grünen.

Immerhin zeigten einzelne Stadträte am Dienstagabend erstmals den Mumm, öffentlich und inhaltlich gegen die sogenannten Ängste und Sorgen aus der Nachbarschaft von Asylbewerberunterkünften zu argumentieren. Nein, die Flüchtlinge würden nicht den ganzen Tag sinnlos herumhängen, stellte Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) klar. Die Bewohner in der Münchner Straße hätten zum Beispiel fast alle einen Job. "Und nein, das ist kein permanentes Kommen und Gehen - die Leute wohnen dort." Oder Grünen-Fraktionschefin Christiane Goldschmitt-Behmer: "Ich habe noch nichts davon gehört, dass die Kriminalität ansteigt und man Angst haben muss, auf die Straße zu gehen." Schließlich konterte Freie-Wähler-Stadtrat Josef Klinger Aussagen aus der Bürgerfragestunde zum angeblich niedrigen Bildungsgrad der Flüchtlinge: "Nach eineinhalb Jahren können manche schon so gut Deutsch, dass sie Lehrstellen bekommen."

Auffällig und bedauernswert, dass sich niemand aus der CSU-Fraktion an diesen argumentativen Gegenreden beteiligte. Stattdessen reihte Landtagsabgeordneter Thomas Huber minutenlang Worthülsen aneinander, derentwegen selbst seine Fraktionskollegen mit den Augen betreten die Tische fixierten. Und Franz Saißreiner ließ sich vor versammeltem Stadtrat und breiter Zuhörerschaft allen Ernstes zu der Aussage hinreißen: "Wenn die acht Stunden am Tag arbeiten, dann sehen die schon, wie es bei uns zugeht." Wenn solche Worte in aller Öffentlichkeit gesagt werden, möchte man nicht wissen, welche es im kleinen Kreis sind.

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