Kommentar:An den Bürgern vorbei regiert

Mit ihrem Stadtrat, das müssen die Grafinger ernüchtert zur Kenntnis nehmen, ist ein Weihnachtsmarkt in der bisherigen Form nicht mehr zu machen

Von Thorsten Rienth

Überwältigend viele Grafinger wollen den Weihnachtsmarkt nicht missen. Und sie wollen ihn auf der Marktplatzinsel. Dort, wo der Markt seit Jahren stattfindet. Dort, wo ein Markt nun einmal hingehört. Hunderte Äußerungen aus den vergangenen Wochen zeugen davon, in Forumsbeiträgen im Internet, in E-Mails und Anrufen im Rathaus, zuletzt in den 700 Unterschriften, die - treffenderweise auf der Marktplatzinsel - der Bürgermeisterin übergeben wurden. Trotzdem versagte eine Stadtratsmehrheit dem Markt die Mehrheit. Überheblicher lässt es sich an seinen Wählern kaum vorbeiregieren.

Bereits im vergangenen Jahr war der Markt auch deshalb ausgefallen, weil der Stadtrat die Interessen einiger Marktplatzunternehmer für wichtiger befand. Auch in der Sitzung am Dienstagabend ging es bestenfalls am Rande um den Wunsch aus der Grafinger Bürgerschaft. Vor allem sorgte sich das Gremium ums eigene Image: "Dass der Stadtrat in irgendeiner Weise gegen den Weihnachtsmarkt ist, das stimmt nicht", klagte zum Beispiel CSU-Fraktionschef Max Graf von Rechberg. Ja, was denn sonst? Es gibt nun einmal nur diesen einen Weihnachtsmarkt-Antrag des Werberings.

Wenn Stadträte meinen, es besser zu können, dann mögen sie einen Gegenvorschlag bringen: Sie mögen einen alternativen Standort nebst Fieranten finden, sich vom Stromanschluss bis zur Feuerwehrzufahrt um die Bürokratie kümmern - und am Ende auch den Kopf hinhalten, wenn etwas schiefgeht. Wer, wie zum Beispiel SPD-Stadtrat Franz Frey, nach einem Kompromiss ruft, der möge sich an die Arbeit machen und einen aushandeln. Im bequemen Stadtratssessel lässt sich leicht den Lehrer spielen.

Am Ende beschränkte der Stadtrat die maximale Dauer des Weihnachtsmarkts auf 14 Tage. An dem Beschluss sind mehrere Dinge bemerkenswert: Weder will die Stadt selbst den Ausrichter geben, noch ist der Stadtrat dem Werbering in irgendeiner Art weisungsbefugt. Die Frage, ob die Zeit für Auf- und Abbau mit zu den 14 Tagen gehört, klammerte man gänzlich aus. Es gab nicht mal jemanden, der es für nötig hielt, den Antrag auch auszuformulieren und im Sitzungssaal an die Leinwand zu werfen. Mit ihrem Stadtrat, das müssen die Grafinger ernüchtert feststellen, ist ein Weihnachtsmarkt wie bisher einfach nicht mehr zu machen.

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